Kaiserwahlskandal


Wilhelm Wolff


Die revolutionäre Bewegung


Wilhelm Wolff

[Die Reichsbescherung: Der Erbkaiser]

Aus dem Reich. Die Reichsbescherung ist fertig bis aufs Ausputzen. Letztes übernehmen unsre geliebten Landes väter gern. Am 21. März fiel ein dunkler Schlagschatten aus der Paulskirche und mißstimmte alle wahren Freunde der bis dahin so unvergleichlichen Reichskomik. Gerade mit des holden Lenzes astronomischem Anfang wandelten unsre Reichs-Froschmäuler die Laune an, uns den besten Frühlingspaß zu verderben. Sie verwarfen nacheinander den Erbkaiser und den preußischen dazu, auch den 12-, 6-, 4-, 2-, 1jährigen etc. In der damaligen Stimmung hätten sie alles verworfen: Papst, Kaiser, König, Präsident, nur sich selbst nicht, da sie wohl wußten, wie verworfen sie seit langem waren.

Glücklicherweise zerstreute sich bald der böse Märznebel, unter dessen Einfluß sie standen. Schon am 28. desselbigen Mondes setzten sie wieder die heitere Schellenkappe auf und verbreiteten neue Lust und neues Leben durch die Gaue des Reiches. Der Eckstein, den sie verworfen, wurde eiligst wieder hervorgesucht und dem großartigen Bau »teutscher Einheit und Machtfülle«, wie er nur in den Tiefen solch deutscher Männerbusen ersonnen werden kann, zum Grund gelegt von 290 schwarz-weiß angetanen Handlangern nach Kräften eingerammt. Ohne diesen Umschwung, ohne das rechtzeitige Besinnen und reuige Insichgehen der Paulskirchener Gesellschaft war das Lustspiel wahrscheinlich verfehlt; und der Geldbeutel der Reichskinder, auf dessen Kosten sich die Herren, vom »edlen« Gagern an bis zum unfundierten Beseler hinab, über 10 Monate lang bene taten, hatte umsonst geblutet. Ja, es wäre die Möglichkeit vorhanden gewesen, daß die Froschteichler, freilich ohne ihre Schuld, noch einen Anschein von Ehre gerettet und mit diesem auseinandergegangen oder -gejagt worden wären.

Es bedurfte durchaus der Kaiserfabrikation vom 28. März, um auch dem blödsichtigen Teile der Mit- und Nachwelt darüber Licht zu verscharfen, daß eine Lakaienschar sich von Anfang bis Ende ihres Dienstes gleich bleibt. Das Sprichwort sagt: Ende gut, alles gut! Demgemäß förderten die Reichshebammen am 28. in der Person des hohenzollernschen »Gottbegnadeten« das Erbkaiserkindlein zur Welt und holten geschwind aus der wieder eröffneten Reichskleinodien-Kammer Krone, Zepter und Mantel hervor, die sie sorgfältig einpackten, mit »F.W.R. Potsdam, franco« signierten und an den teuern Auserwählten abgehen ließen. Schachtel und Frachtbrief bekam Reichs-Kutscher Soiron zur Verwahrung. Damit nichts abhanden käme, suchte man 32 Biedermänner aus, die dem Reichs-Kutscher in etwaigen schwachen Augenblicken aufpassen hülfen, und hieß sie, vom rührendsten Segen aller Frankfurter Spießbürger und Judenmädel begleitet, sich aufmachen und hinziehen zum Schwager des heiligen Nicolaus und seinen uckermärkischen Granden.

Endlich gelangen sie nach Berlin. Den Unsinn mit dem heraushängen deutscher Fahnen hatte sich Wrangel ernstlich verbeten. Sowas kann wohl zur Zeit eines Märzfiebers gestattet werden; da mag selbst der königliche Herr dreifarbigen Mummenschanz treiben, ohne im geringsten in Belagerungs- oder einen ändern Zustand erklärt zu werden. Aber im April 1849? Das wäre doch mehr als toll. Wrangel besitzt übrigens Lebensart und Bonhommie. Er ließ die Frankfurter herein, und das war gut.

Jetzt erhielten sie die Erlaubnis, sich zum königlichen Herrn zu begeben, was sie mit wahrem Reichsanstand taten. Sie legten die deutsche Kaiserkrone nebst obligater Begleitungsrede zu den hohenzollernschen Füßen. Und der königliche Herrscher sah erbarmungsvoll auf die armen Schächer vor sich herab und erklärte ihnen, daß er in ihren Artikeln keine Geschäfte machen wolle; es sei denn daß sie erst von den übrigen gottbegnadeten Herrn Vettern die Betriebs- und Gewerbescheine beibrachten. Er werde sich mit seinen Herrn Vettern ins Einvernehmen setzen, und wie diese wollten, so wolle auch er; sie selbst könnten nun ruhig wieder nach Hause gehen.

Man sieht, der Mann war höflich: Er kann auch grob sein, wie das unter anderem Bürgermeister Tschech empfunden. Wäre er diesmal grob gewesen, so hätte er den Froschteichlern direkt sagen müssen: »Wie, ihre plebejischen Hände wagen mir eine Krone anzubieten, mit der Sie kurz zuvor aufs abscheulichste umgegangen? Sie, die ich im Verein mit meinen Herrn Vettern von Anfang an nach der Pfeife >von Gottes Gnaden< habe tanzen lassen, Sie wollen jetzt als souveräne Fabrikanten und Verschenker von Kaiserkronen auftreten? Und Sie schwatzen vom Volk, in dessen Namen Sie kämen? A d'autres! Machen Sie das andern weis, meine Herrn!« Er war aber auch durch und durch höflich; und in gerechter Würdigung der schwachen Reichsseite dieser Herren Frankfurter ließ er sich schließlich einladen und futterte sie aufs beste ab, um nach dem Bibelspruch glühende Kohlen auf das Haupt seiner Feinde zu sammeln.

Wie Schulbuben, die für monatelange Dummheiten und Allotria endlich derbe Fingerklopfe vom gestrengen Magister erhalten haben, zogen sie, vor Schmerz in die Hände prustend und gesenkten Hauptes unter Belustigung der munteren Straßenjugend aus Reichs-Berlin wieder von dannen. Da sie auf dem Wege durch Köln einige bedenkliche Haare gefunden, wählten sie den Rückweg über Eisenach. Heute früh sind sie, mit den als nicht koscher erklärten Kaisergeschenken belastet, glücklich wieder in Frankfurt eingerückt.

»Ende gut, alles gut!« Ein würdigeres Ende und eine bessere Belohnung für ihre Taten konnte diese Gesellschaft nicht finden. Mit der Randglosse »Pour le roi de Prusse« ist ihre ganze Tätigkeit und Geschichte abgetan und erschöpft. Have pia anima!

Neue Rheinische Zeitung, 9. April 1849.



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