Unser Kampf | 31. Kapitel | Inhalt | Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg - Gesammelte Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Band 5. Berlin/DDR. 1975. »Die Akkumulation des Kapitals«, S. 398-411.
1. Korrektur
Erstellt am 20.10.1998

Rosa Luxemburg - Die Akkumulation des Kapitals

Zweiunddreißigstes Kapitel.
Der Militarismus auf dem Gebiet der Kapitalakkumulation


|398| Der Militarismus übt in der Geschichte des Kapitals eine ganz bestimmte Funktion aus. Er begleitet die Schritte der Akkumulation in allen ihren geschichtlichen Phasen. In der Periode der sogenannten »primitiven Akkumulation«, d.h. in den Anfängen des europäischen Kapitals, spielt der Militarismus die entscheidende Rolle bei der Eroberung der Neuen Welt und der Gewürzländer Indiens, später bei der Eroberung der modernen Kolonien, Zerstörung der sozialen Verbände der primitiven Gesellschaften und Aneignung ihrer Produktionsmittel, bei der Erzwingung des Warenhandels in Ländern, deren soziale Struktur der Warenwirtschaft hinderlich ist, bei der gewaltsamen Proletarisierung der Eingeborenen und der Erzwingung der Lohnarbeit in den Kolonien, bei der Bildung und Ausdehnung von Interessensphären des europäischen Kapitals in außereuropäischen Gebieten, bei der Erzwingung von Eisenbahnkonzessionen in rückständigen Ländern und bei der Vollstreckung der Forderungsrechte des europäischen Kapitals aus internationalen Anleihen, endlich als Mittel des Konkurrenzkampfes der kapitalistischen Länder untereinander um Gebiete nichtkapitalistischer Kultur.

Dazu kommt noch eine andere wichtige Funktion. Der Militarismus erscheint auch rein ökonomisch für das Kapital als ein Mittel ersten Ranges zur Realisierung des Mehrwerts, d.h. als ein Gebiet der Akkumulation. Bei der Untersuchung der Frage, wer als Abnehmer der Produktenmasse |399| in Betracht käme, in der der kapitalisierte Mehrwert steckt, haben wir mehrfach den Hinweis auf den Staat und seine Organe als Konsumenten abgelehnt. Wir haben sie als Vertreter abgeleiteter Einkommenquellen in dieselbe Kategorie der Nutznießer des Mehrwerts (oder zum Teil des Arbeitslohns) eingereiht, der auch die Vertreter liberaler Berufe sowie allerlei Schmarotzerexistenzen der heutigen Gesellschaft (»König, Pfaff, Professor, Hure, Kriegsknecht«) angehören. Diese Erledigung der Frage ist aber erschöpfend nur unter zwei Voraussetzungen: einmal, wenn wir, im Sinne des Marxschen Schemas der Reproduktion, annehmen, daß der Staat keine anderen Steuerquellen besitzt als den kapitalistischen Mehrwert und den kapitalistischen Arbeitslohn (1); und zweitens, wenn wir den Staat mit seinen Organen nur als Konsumenten ins Auge fassen. Handelt es sich nämlich um persönliche Konsumtion der Staatsbeamten (so auch des »Kriegsknechts«), so bedeutet das - sofern sie aus Arbeitermitteln bestritten wird - partielle Übertragung der Konsumtion von der Arbeiterklasse auf den Anhang der Kapitalistenklasse.

Nehmen wir für einen Augenblick an, der gesamte den Arbeitern abgepreßte Betrag an indirekten Steuern, der einen Abzug an ihrer Konsumtion bedeutet, werde darauf verwendet, den Staatsbeamten Gehälter auszuzahlen und das stehende Heer mit Lebensmitteln zu verproviantieren. Dann wird in der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals keine Verschiebung eintreten. Sowohl die Abteilung der Lebensmittel wie infolgedessen auch die Abteilung der Produktionsmittel bleiben unverändert, denn der Gesamtbedarf der Gesellschaft hat nach Art und Menge keinen Wechsel erlitten. Was jetzt verändert worden, ist bloß das Wertverhältnis zwischen v als Ware Arbeitskraft und den Produkten der Abteilung II, d.h. Lebensmitteln. Dasselbe v, derselbe Geldausdruck der Arbeitskraft wird jetzt mit einer geringeren Menge Lebensmittel ausgetauscht. Was geschieht mit dem so entstehenden Rest an Produkten der |400| Abteilung II? Er wandert statt an die Arbeiter an Staatsbeamte und das Heer. An Stelle der Konsumtion der Arbeiter tritt in demselben Umfang die Konsumtion der Organe des kapitalistischen Staates. Es ist also bei gleichbleibenden Reproduktionsbedingungen eine Änderung in der Verteilung des Gesamtprodukts eingetreten: Eine Portion der früher zur Konsumtion der Arbeiterklasse, zur Deckung des v, bestimmten Produkte der Abteilung II wird nunmehr dem Anhang der Kapitalistenklasse zur Konsumtion zugeteilt. Vom Standpunkt der gesellschaftlichen Reproduktion läuft diese Verschiebung auf dasselbe hinaus wie wenn von vornherein der relative Mehrwert um den bestimmten Wertbetrag größer, und zwar dieser Zuwachs dem zur Konsumtion der Kapitalistenklasse nebst Anhang bestimmten Teil des Mehrwerts zugewiesen wäre.

Insofern läuft das Schröpfen der Arbeiterklasse durch den Mechanismus der indirekten Besteuerung, um daraus die Stützen der kapitalistischen Staatsmaschinerie zu erhalten, einfach auf eine Vergrößerung des Mehrwerts, und zwar des konsumierten Teils des Mehrwerts, hinaus; nur daß diese ergänzende Teilung zwischen Mehrwert und variablem Kapital post festum, nach dem vollzogenen Austausch zwischen Kapital und Arbeitskraft geschieht. Haben wir es aber so mit einem nachträglichen Zuwachs des konsumierten Mehrwerts zu tun, dann kommt diese Konsumtion der Organe des kapitalistischen Staates - auch wenn sie auf Kosten der Arbeiterklasse geschieht - als Mittel der Realisierung des kapitalisierten Mehrwerts nicht in Betracht. Umgekehrt kann man sagen: Wenn die Arbeiterklasse nicht die Erhaltungskosten der Staatsbeamten und des »Kriegsknechts« zum größten Teil tragen würde, so müßten die Kapitalisten selbst diese Kosten ganz tragen. Sie müßten der Erhaltung dieser Organe ihrer Klassenherrschaft direkt aus dem Mehrwert eine entsprechende Portion zuweisen, und zwar entweder auf Kosten der eigenen Konsumtion, die sie entsprechend einschränken müßten, oder, was das Wahrscheinlichere, auf Kosten des zur Kapitalisierung bestimmten Teils des Mehrwerts. Sie könnten weniger kapitalisieren, weil sie mehr zur direkten Erhaltung ihrer eigenen Klasse verwenden müßten. Die Abwälzung der Erhaltungskosten ihres Anhangs zum größten Teil auf die Arbeiterklasse (und auf die Vertreter der einfachen Warenproduktion: Bauern, Handwerker) erlaubt es den Kapitalisten, eine größere Portion des Mehrwerts für die Kapitalisierung zu befreien. Sie schafft aber noch vorerst keineswegs die Möglichkeit dieser Kapitalisierung, d.h., sie schafft noch kein neues Absatzgebiet, um mit diesem befreiten Mehrwert auch tatsächlich neue Waren herstellen und sie auch realisieren zu können. Anders wenn die durch das Steuer- |401| system in der Hand des Staates konzentrierten Mittel zur Produktion von Kriegsmitteln verwendet werden.

Auf der Basis der indirekten Besteuerung und Hochschutzzölle werden die Kosten des Militarismus in der Hauptsache bestritten durch die Arbeiterklasse und das Bauerntum. Beide Steuerquoten sind gesondert zu betrachten. Was die Arbeiterklasse betrifft, so läuft das Geschäft ökonomisch auf das Folgende hinaus. Vorausgesetzt, daß eine Erhöhung der Löhne bis zum Ausgleich der Lebensmittelverteuerung nicht stattfindet - was gegenwärtig für die große Masse der Arbeiterklasse zutrifft und was selbst für die gewerkschaftlich organisierte Minderheit durch den Druck der Kartelle und Unternehmerorganisationen in hohem Grade bewirkt wird (2), so bedeutet die indirekte Besteuerung die Übertragung eines Teils der Kaufkraft der Arbeiterklasse auf den Staat. Das variable Kapital als Geldkapital von einer bestimmten Größe dient nach wie vor dazu, die entsprechende Menge lebendige Arbeit in Bewegung zu setzen, also das entsprechende konstante Kapital zu Produktionszwecken zu benutzen und die entsprechende Menge Mehrwert zu produzieren. Nachdem diese Zirkulation des Kapitals vollzogen, geht eine Teilung zwischen der Arbeiterklasse und dem Staate vor sich: Ein Teil der von ihr im Austausch gegen die Arbeitskraft erhaltenen Geldmenge wird an den Staat abgeführt. Während das ganze frühere variable Kapital in seiner Sachgestals Arbeitskraft vom Kapital angeeignet wird, bleibt von der Geldform des variablen Kapitals nur ein Teil in der Hand der Arbeiterklasse, während ein anderer Teil in den Besitz des Staates gelangt. Die Transaktion geht jedesmal nach vollzogener Kapitalzirkulation zwischen Kapital und Arbeit vor sich, sozusagen hinter dem Rücken des Kapitals, sie berührt unmittelbar in nichts diesen fundamentalen Teil der Kapitalzirkulation und Mehrwertproduktion und geht sie zunächst nichts an. Wohl aber berührt sie die Bedingungen der Reproduktion des Gesamtkapitals. Die Übertragung eines Teils der Kaufkraft der Arbeiterklasse auf den Staat bedeutet, daß der Anteil der Arbeiterklasse an der Konsumtion der Lebensmittel in demselben Maße geringer geworden ist. Für das Gesamtkapital ist dies identisch mit der Tatsache, daß es bei der gleichen Größe des variablen Kapitals (als Geldkapital und als Arbeitskraft) und gleicher Masse angeeigneten Mehrwerts eine geringere Menge Lebensmittel zur Erhaltung der Arbeiterklasse produzieren muß, ihr tatsächlich eine Anweisung |402| auf einen geringeren Anteil am Gesamtprodukt gibt. Daraus ergibt sich, daß bei der Reproduktion des Gesamtkapitals nunmehr eine geringere Menge Lebensmittel produziert werden wird, als es der Wertgröße des variablen Kapitals entspricht, da sich ja das Wertverhältnis zwischen dem variablen Kapital und der Menge Lebensmittel, worin es realisiert wird, selbst verändert hat; die Höhe der indirekten Besteuerung äußert sich in der Preiserhöhung der Lebensmittel, während der Geldausdruck der Arbeitskraft nach unserer Voraussetzung unverändert bleibt oder sich nicht im Verhältnis zur Preiserhöhung der Lebensmittel verändert.

Nach welcher Richtung wird nun die Verschiebung in den sachlichen Verhältnissen der Reproduktion stattfinden? Durch die relative Verringerung der zur Erneuerung der Arbeitskraft erforderlichen Menge Lebensmittel wird eine entsprechende Menge konstantes Kapital und lebendige Arbeit frei. Dieses konstante Kapital und diese lebendige Arbeit können für anderweitige Produktion verwendet werden, sofern sich ein neuer zahlungsfähiger Bedarf in der Gesellschaft findet. Den neuen Bedarf stellt aber nunmehr der Staat mit dem von ihm vermöge der Steuergesetzgebung angeeigneten Teil der Kaufkraft der Arbeiterklasse dar. Der Bedarf des Staates richtet sich aber diesmal nicht auf Lebensmittel (von dem gleichfalls aus Steuern gedeckten Bedarf an Lebensmitteln zur Erhaltung der Staatsbeamten sehen wir hier nach allem früher sub »dritte Personen« Behandelten ab), sondern auf eine spezifische Produktenart, auf Kriegsmittel des Militarismus zu Lande und zu Wasser.

Um uns die Verschiebungen, die sich dabei in der gesellschaftlichen Reproduktion ergeben, näher anzusehen, nehmen wir wieder als Beispiel das zweite Marxsche Schema der Akkumulation:

I. 5.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 7.000 Produktionsmittel.
II: 1.430 c + 285 v + 285 m = 2.000 Konsummittel.

Nehmen wir nun an, durch die indirekten Steuern und die dadurch erzeugte Teuerung der Lebensmittel werde der Reallohn, d.h. die Konsumtion der Arbeiterklasse, im ganzen um den Wertbetrag von 100 verringert. Die Arbeiter bekommen also nach wie vor 1.000 v + 285 v = 1.285 v in Geld, erlangen aber dafür in Wirklichkeit Lebensmittel nur im Werte von 1.185. Die Geldsumme von 100, die dem Preisaufschlag der Lebensmittel gleicht, gelangt als Steuer an den Staat. Dieser hat außerdem von den Bauern usw. an Steuern für Militärrüstzeug, sagen wir, 150 in der Hand, zusammen 250. Diese 250 stellen eine neue Nachfrage, und zwar nach Kriegsmittel dar. Uns gehen jedoch vorläufig nur die 100, die aus Arbeits- |403| löhnen herstammen, an. Zur Befriedigung dieses Bedarfs an Kriegsmitteln zum Werte von 100 entsteht ein entsprechender Produktionszweig, der - unter Voraussetzung einer gleichen, d.h. durchschnittlichen organischen Zusammensetzung, wie sie im Marxschen Schema angenommen worden - eines konstanten Kapitals von 71,5 und eines variablen von 14,25 bedarf: 71,5 c + 14,25 v + 14,25 m = 100 (Kriegsmittel).

Für den Bedarf dieses Produktionszweigs werden ferner Produktionsmittel im Wertbetrage von 71,5 und Lebensmittel im Wertbetrage von zirka 13 (entsprechend der nunmehr auch für diese Arbeiter geltenden Verminderung ihres Reallohns um zirka 1/13) hergestellt werden müssen.

Darauf kann sofort erwidert werden, daß der aus dieser neuen Absatzerweiterung sich ergebende Gewinn für das Kapital nur ein scheinbarer sei, denn die Verringerung der tatsächlichen Konsumtion der Arbeiterklasse wird die entsprechende Einschränkung der Lebensmittelproduktion zur unvermeidlichen Folge haben. Diese Einschränkung wird sich für die Abteilung II in der folgenden Proportion ausdrücken. 71,5 c + 14,25 v + 14,25 m = 100.

Dementsprechend wird aber ferner auch die Abteilung der Produktionsmittel ihren Umfang einschränken müssen, so daß beide Abteilungen infolge der Verringerung der Konsumtion der Arbeiterklasse sich wie folgt gestalten werden:

I. 4.949,00 c + 989,75 v + 989,75 m = 6.928,50
II: 1.358,50 c + 270,75 v + 270,75 m = 1.900,00

Wenn jetzt dieselben 100 durch die Vermittlung des Staates eine Produktion von Kriegsmitteln zum gleichen Wertbetrage ins Leben rufen und dementsprechend auch die Produktion von Produktionsmitteln wieder beleben, so erscheint das auf den ersten Blick nur eine äußere Verschiebung in der Sachgestder gesellschaftlichen Produktion: Statt einer Menge Lebensmittel produziere man eine Menge Kriegsmittel. Das Kapital habe mit der einen Hand nur gewonnen, was es aus der anderen verloren habe. Oder die Sache kann auch so gefaßt werden: Was der großen Anzahl Kapitalisten, die Lebensmittel für die Arbeitermasse produzieren, an Absatz abgehe, komme einer kleinen Gruppe von Großindustriellen der Kriegsmittelbranche zugute.

Doch so stellt sich die Sache dar, nur solange man auf dem Standpunkt des Einzelkapitals steht. Von diesem Standpunkt ist es freilich gehupft wie gesprungen, ob die Produktion sich auf dieses oder jenes Gebiet wendet. Für das Einzelkapital existieren überhaupt die Abteilungen der Gesamt- |404| produktion, wie sie das Schema unterscheidet, nicht, sondern einfach Waren und Käufer, und für den Einzelkapitalisten ist es deshalb an sich völlig gleichgültig, ob er Lebensmittel oder Todesmittel, Fleischkonserven oder Panzerplatten produziert.

Dieser Standpunkt wird häufig von Gegnern des Militarismus ins Feld geführt, um darzutun, daß die Kriegsrüstungen als wirtschaftliche Anlage für das Kapital nur den einen Kapitalisten zugute kommen lassen, was sie den anderen genommen haben.(3) Auf der anderen Seite suchen das Kapital und sein Apologet diesen Standpunkt der Arbeiterklasse zu oktroyieren, indem sie ihr einreden, durch die indirekten Steuern und den Staatsbedarf trete nur eine Verschiebung in der sachlichen Form der Reproduktion ein; statt anderer Waren produziere man Kreuzer und Kanonen, dank denen der Arbeiter seine Beschäftigung und sein Brot im gleichen oder noch größeren Maße, ob hier oder dort, finde.

Was die Arbeiter betrifft, so zeigt ein Blick auf das Schema, was daran Wahres ist. Angenommen zur Erleichterung des Vergleichs, daß die Produktion der Kriegsmittel genausoviel Arbeiter wie früher die Herstellung von Lebensmitteln für die Lohnarbeiter beschäftige, ergibt sich, daß sie jetzt bei einer Arbeitsleistung, die dem Lohn von 1.285 v entspricht, Lebensmittel für 1.185 kriegen.

Anders vom Standpunkte des Gesamtkapitals. Für dieses erscheinen die 100 in der Hand des Staates, die eine Nachfrage nach Kriegsmitteln darstellen, als neues Absatzgebiet. Diese Geldsumme war ursprünglich variables Kapital. Sie hat als solche ihren Dienst getan, sich gegen lebendige Arbeit ausgetauscht, die Mehrwert erzeugt hat. Hinterdrein unterbricht sie die Zirkulation des variablen Kapitals, löst sich von ihr ab und erscheint im Besitze des Staates als neue Kaufkraft wieder. Gleichsam aus nichts erschaffen, wirkt sie genauso wie ein neuerschlossenes Absatzgebiet. |405| Freilich, das Kapital wird zunächst um 100 geringeren Absatz an Lebensmitteln für die Arbeiter haben. Für den Einzelkapitalisten ist der Arbeiter auch ein ebenso guter Konsument und Warenabnehmer wie jeder andere, wie ein Kapitalist, der Staat, der Bauer, »das Ausland« usw. Vergessen wir jedoch nicht, daß für das Gesamtkapital die Ernährung der Arbeiterklasse nur Malum necessarium, nur ein Umweg zum eigentlichen Zweck der Produktion: zur Erzeugung und Realisierung des Mehrwerts, ist. Gelingt es, dieselbe Menge Mehrwert herauszupressen, ohne der Arbeitskraft dieselbe Menge Lebensmittel zuführen zu müssen, um so glänzender das Geschäft. Es läuft zunächst auf dasselbe hinaus, wie wenn es - ohne Lebensmittelteuerung - dem Kapital gelungen wäre, die Geldlöhne entsprechend herabzudrücken, ohne die Leistung der Arbeiter zu verringern. Zieht doch dauernde Lohnreduktion gleichfalls im weiteten Gefolge die Einschränkung der Lebensmittelproduktion nach sich. Sowenig sich das Kapital graue Haare wachsen laßt, daß es weniger Lebensmittel für die Arbeiter wird produzieren müssen, wenn es an ihren Löhnen Beutelschneiderei treibt, vielmehr diesem Geschäft bei jeder Gelegenheit mit Lust und Liebe nachgeht, ebensowenig verursacht es dem Kapital im ganzen Beschwerden, daß die Arbeiterklasse dank der indirekten Besteuerung, die nicht durch Lohnerhöhungen wettgemacht wird, eine geringere Nachfrage nach Lebensmitteln darstellt. Freilich bleibt bei direkten Lohnreduktionen die Differenz an variablem Kapital in der Tasche des Kapitalisten und vergrößert, bei gleichbleibenden Warenpreisen, den relativen Mehrwert, während sie jetzt in die Staatskasse wandert. Allein andererseits sind allgemeine und dauernde Reduktionen an Geldlöhnen zu allen Zeiten, namentlich aber bei hoher Entwicklung der gewerkschaftlichen Organisationen, nur selten durchführbar. Der fromme Wunsch des Kapitals stößt hier auf starke Schranken sozialer und politischer Natur. Hingegen setzt sich die Herabdrückung der Reallöhne vermittelst der indirekten Besteuerung prompt, glatt und generell durch, worauf sich der Widerstand meist erst nach längerer Zeit, auf politischem Gebiete und ohne unmittelbares ökonomisches Resultat zu äußern pflegt. Ergibt sich daraus hinterdrein eine Einschränkung der Lebensmittelproduktion, so erscheint das Geschäft vom Standpunkte des Gesamtkapitals nicht als ein Verlust an Absatz, sondern als eine Ersparnis an Unkosten bei der Produktion von Mehrwert. Die Herstellung von Lebensmitteln für Arbeiter ist eine Bedingung sine qua non der Produktion des Mehrwerts, nämlich die Reproduktion der lebendigen Arbeitskraft, niemals aber ein Mittel der Realisierung des Mehrwerts.

|406| Nehmen wir unser Beispiel wieder auf:

I. 5.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 7.000 Produktionsmittel.
II: 1.430 c + 285 v + 285 m = 2.000 Konsummittel.

Auf den ersten Blick scheint es, als ob hier die Abteilung II auch bei der Herstellung der Konsumtionsmittel für die Arbeiter Mehrwert erzeugen und realisieren würde, ebenso die Abteilung I, sofern sie Produktionsmittel herstellt, die zu jener Produktion von Lebensmitteln erforderlich sind. Doch der Schein verschwindet, wenn wir das gesellschaftliche Gesamtprodukt betrachten. Dieses stellt sich so dar: 6.430 c + 1.285 v + 1.285 m = 9.000.

Nun träte eine Verringerung der Konsumtion der Arbeiter um 100 ein. Die Verschiebung in der Reproduktion infolge der entsprechenden Einschränkung beider Abteilungen wird sich so ausdrücken:

I. 4.949,00 c + 989,75 v + 989,75 m = 6.928,50
II: 1.358,50 c + 270,75 v + 270,75 m = 1.900,00

Und das gesellschaftliche Gesamtprodukt: 6.307,5 c + 1.260,5 v + 1.260,5 m = 8.828,5.

Es ist auf den ersten Blick ein allgemeiner Ausfall in dem Produktionsumfang und auch in der Produktion von Mehrwert zu konstatieren. Dies aber nur, solange wir abstrakte Wertgrößen in der Gliederung des Gesamtprodukts, nicht seine sachlichen Zusammenhänge im Auge haben. Sehen wir näher zu, dann stellt sich heraus, daß der Ausfall gänzlich die Erhaltungskosten der Arbeitskraft und nur diese berührt. Es werden nunmehr weniger Lebensmittel und Produktionsmittel hergestellt, diese dienten aber ausschließlich dazu, Arbeiter zu erhalten. Es wird jetzt ein geringeres Kapital beschäftigt und ein geringeres Produkt hergestellt. Aber Zweck der kapitalistischen Produktion ist nicht, schlechthin ein möglichst großes Kapital zu beschäftigen, sondern einen möglichst großen Mehrwert zu erzielen. Das Defizit an Kapital ist aber hier nur dadurch entstanden, daß die Erhaltung der Arbeiter ein geringeres Kapital erfordert. Wenn früher 1.285 der Wertausdruck der gesamten Erhaltungskosten der beschäftigten Arbeiter in der Gesellschaft war, so muß der nun entstandene Ausfall im Gesamtprodukt = 171,5 (9.000 - 8.828,5) ganz von diesen Erhaltungskosten abgezogen werden, und wir bekommen dann die veränderte Zusammensetzung des gesellschaftlichen Produkts: 6.430 c + 1.113,5 v + 1.285 m = 8.828,5.

Das konstante Kapital und der Mehrwert blieben unverändert, das |407| variable Kapital der Gesellschaft, die bezahlte Arbeit allein hat sich verringert. Oder, da die unveränderte Größe des konstanten Kapitals frappieren mag, nehmen wir, wie es auch exakt dem Vorgang entspricht, eine der Verringerung der Lebensmittel der Arbeiter entsprechende Verringerung des konstanten Kapitals an, dann erhalten wir die folgende Gliederung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts: 6.307,5 c + 1.236 v + 1.285 m = 8.828,5.

Der Mehrwert bleibt in beiden Fällen unverändert, trotz der Verringerung des Gesamtprodukts, denn die Erhaltungskosten der Arbeiter und nur diese haben sich verringert.

Die Sache läßt sich auch so darstellen. Das gesellschaftliche Gesamtprodukt kann seinem Werte nach in drei proportionelle Teile eingeteilt werden, die jeweilig ausschließlich das gesamte konstante Kapital der Gesellschaft, das gesamte variable Kapital und den gesamten Mehrwert repräsentieren. Und zwar so, wie wenn in der ersten Portion Produkte nicht ein Atom neu hinzugetretene Arbeit, in der zweiten und dritten nicht ein Atom Produktionsmittel erhalten wäre. Da diese Produktenmasse als solche, ihrer Sachgestnach, ganz das Ergebnis der gegebenen Produktionsperiode, aus der sie hervorgegangen ist, so kann man - obwohl das konstante Kapital als Wertgröße Resultat früherer Produktionsperioden ist und nur auf neue Produkte übertragen wird - auch die gesamte Anzahl der beschäftigten Arbeiter in drei Kategorien einteilen: in solche, die ausschließlich das gesamte konstante Kapital der Gesellschaft herstellen, in solche, deren ausschließlicher Beruf es ist, für die Erhaltung sämtlicher Arbeiter zu sorgen, endlich in solche, die ausschließlich den gesamten Mehrwert der Kapitalistenklasse schaffen.

Erfolgt eine Einschränkung der Konsumtion der Arbeiter, dann wird nur aus der zweiten Kategorie eine entsprechende Anzahl Arbeiter entlassen. Aber diese Arbeiter schaffen von vornherein keinen Mehrwert für das Kapital, ihre Entlassung ist also vom Standpunkt des Kapitals kein Verlust, sondern ein Gewinn, Verminderung der Kosten der Mehrwertproduktion.

Hingegen winkt der gleichzeitig entstehende Absatz auf seiten des Staates mit allen Reizen eines neuen Gebietes zur Realisierung des Mehrwerts. Ein Teil der in der Zirkulation des variablen Kapitals begriffenen Geldsumme springt aus der Bahn dieser Zirkulation heraus und stellt in der Hand des Staates eine neue Nachfrage dar. Daß steuertechnisch der Vorgang ein anderer, nämlich der Betrag der indirekten Steuern faktisch von dem Kapital dem Staate vorgestreckt und erst bei dem Warenkauf |408| im Preis vom Konsumenten dem Kapitalisten zurückerstattet wird, ändert nichts an der ökonomischen Seite des Vorgangs. Ökonomisch ist es entscheidend, daß die als variables Kapital fungierende Geldsumme erst den Austausch zwischen Kapital und Arbeitskraft vermittelt, um hinterher, bei dem Austausch zwischen Arbeiter als Konsumenten und Kapitalist als Warenverkäufer, zu einem Teil aus der Hand des Arbeiters an den Staat als Steuer zu wandern. Die von dem Kapital in die Zirkulation geworfene Geldsumme erfüllt damit erst vollauf ihre Funktion im Austausch mit der Arbeitskraft, um darauf in der Hand des Staates eine ganz neue Laufbahn zu beginnen, nämlich als fremde, dem Kapital wie dem Arbeiter äußerliche Kaufkraft, die sich auf neue Produkte, auf einen besonderen Zweig der Produktion richtet, der weder zur Erhaltung der Kapitalistenklasse noch zur Erhaltung der Arbeiterklasse dient und in dem das Kapital daher eine neue Gelegenheit findet, Mehrwert sowohl zu erzeugen wie zu realisieren. Früher, als wir die Verwendung der aus dem Arbeiter ausgepreßten indirekten Steuern zu Gehältern für Staatsbeamte und zur Versorgung des Heeres betrachteten, hat sich herausgestellt, daß die »Ersparnis« an der Konsumtion der Arbeiterklasse ökonomisch dazu führt, die Kosten der persönlichen Konsumtion des Anhangs der Kapitalistenklasse und der Werkzeuge ihrer Klassenherrschaft von den Kapitalisten auf die Arbeiter, vom Mehrwert auf das variable Kapital abzuschieben und im gleichen Maße den Mehrwert für Kapitalisierungszwecke frei zu machen. Jetzt sehen wir, wie die Verwendung der dem Arbeiter abgepreßten Steuern zur Herstellung von Kriegsmitteln dem Kapital eine neue Möglichkeit der Akkumulation bietet.

Praktisch wirkt der Militarismus auf Grundlage der indirekten Steuern nach beiden Richtungen, indem er auf Kosten der normalen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse sowohl die Erhaltung der Organe der Kapitalsherrschaft, der stehenden Heere, wie das großartigste Akkumulationsgebiet des Kapitals sichert.(4)

Wenden wir uns an die zweite Quelle der Kaufkraft des Staates, in unserem Beispiel die 150 von dem Gesamtbetrag der 250, die in Kriegsmitteln angelegt werden. Die 150 unterscheiden sich wesentlich von der bis jetzt betrachteten Summe von 100. Sie rühren nicht von den Arbeitern, |409| sondern vom Kleinbürgertum - Handwerkern und Bauern - her. (Von dem relativ kleinen Anteil der Kapitalistenklasse selbst an den Steuern sehen wir hier ab.)

Die von der Bauernmasse - die wir hier als Vertreterin der nichtproletarischen Konsumentenmasse nehmen wollen - an den Staat in Gestvon Steuern abgeführte Geldsumme ist nicht ursprünglich vom Kapital vorgeschossen und löst sich nicht von der Kapitalzirkulation ab. Sie ist in der Hand der Bauernmasse das Äquivalent realisierter Waren, Wertniederschlag der einfachen Warenproduktion. Was hier auf den Staat übertragen wird, ist ein Teil der Kaufkraft nichtkapitalistischer Konsumenten, also Kaufkraft, die von vornherein dem Kapital dazu dient, für Zwecke der Akkumulation den Mehrwert zu realisieren. Es fragt sich, ob sich für das Kapital aus der Übertragung der Kaufkraft dieser Schichten auf den Staat zu militaristischen Zwecken ökonomische Veränderungen ergeben und welcher Art. Auf den ersten Blick handelt es sich auch hier um Verschiebungen in der sachlichen Gestder Reproduktion. Statt einer Menge Produktionsmittel und Lebensmittel für die bäuerlichen Konsumenten wird das Kapital im gleichen Wertbetrage Kriegsmittel für den Staat produzieren. Tatsächlich ist die Verschiebung eine tiefergreifende. Vor allem wird die durch den Mechanismus der Besteuerung vom Staate flüssig gemachte Kaufkraft der nichtkapitalistischen Konsumenten quantitativ eine viel größere sein als die, welche für ihre eigene Konsumtion tatsächlich auftreten würde.

Es ist ja das moderne Steuersystem selbst, das in hohem Maße bei den Bauern die Warenwirtschaft erst erzwingt. Der Druck der Besteuerung zwingt den Bauern, fortschreitend einen immer größeren Teil seines Produkts in Ware zu verwandeln, macht ihn aber auch gleichzeitig immer mehr zum Käufer, treibt das Produkt der Bauernwirtschaft durch die Zirkulation und verwandelt zwangsweise die Bauern erst in Abnehmer auch für Kapitalprodukte. Ferner auch unter der Voraussetzung der bäuerlichen Warenproduktion entlockt das Steuersystem der Bauernwirtschaft eine größere Kaufkraft, als sie sich ohnehin aktiv betätigen würde.

Was sonst als Ersparnis der Bauern, des kleinen Mittelstandes aufgeschatzt wäre, um in Sparkassen und Banken das anlagesuchende Kapital zu vergrößern, wird jetzt im Besitze des Staates umgekehrt eine Nachfrage und Anlagemöglichkeit für das Kapital. Ferner tritt hier an Stelle einer großen Anzahl kleiner zersplitterter und zeitlich auseinanderfallender Warennachfragen, die vielfach auch durch die einfache Warenproduktion befriedigt wären, also für die Kapitalakkumulation nicht in Betracht |410| kämen, eine zur großen einheitlichen kompakten Potenz zusammengefaßte Nachfrage des Staates. Diese setzt aber zu ihrer Befriedigung von vornherein die Großindustrie auf höchster Stufenleiter, also für die Mehrwertproduktion und Akkumulation günstigste Bedingungen voraus. In Gestder militaristischen Aufträge des Staates wird die zu einer gewaltigen Größe konzentrierte Kaufkraft der Konsumentenmassen außerdem der Willkür, den subjektiven Schwankungen der persönlichen Konsumtion entrückt und mit einer fast automatischen Regelmäßigkeit, mit einem rhythmischen Wachstum begabt. Endlich befindet sich der Hebel dieser automatischen und rhythmischen Bewegung der militaristischen Kapitalproduktion in der Hand des Kapitals selbst - durch den Apparat der parlamentarischen Gesetzgebung und des zur Herstellung der sogenannten öffentlichen Meinung bestimmten Zeitungswesens. Dadurch scheint dieses spezifische Gebiet der Kapitalakkumulation zunächst von unbestimmter Ausdehnungsfähigkeit. Während jede andere Gebietserweiterung des Absatzes und der Operationsbasis für das Kapital in hohem Maße von geschichtlichen, sozialen, politischen Momenten abhängig ist, die außerhalb der Willenssphäre des Kapitals spielen, stellt die Produktion für den Militarismus ein Gebiet dar, dessen regelmäßige stoßweise Erweiterung in erster Linie in den bestimmenden Willen des Kapitals selbst gegeben zu sein scheint.

Die geschichtlichen Notwendigkeiten der verschärften Weltkonkurrenz des Kapitals um seine Akkumulationsbedingungen verwandeln sich so für das Kapital selbst in ein erstklassiges Akkumulationsfeld. Je energischer das Kapital den Militarismus gebraucht, um die Produktionsmittel und Arbeitskräfte nichtkapitalistischer Länder und Gesellschaften durch die Welt- und Kolonialpolitik sich selbst zu assimilieren, um so energischer arbeitet derselbe Militarismus daheim, in den kapitalistischen Ländern, dahin, den nichtkapitalistischen Schichten dieser Länder, d.h. den Vertretern der einfachen Warenproduktion, sowie der Arbeiterklasse fortschreitend die Kaufkraft zu entziehen, d.h., die ersteren immer mehr der Produktivkräfte zu berauben, die letztere in ihrer Lebenshaltung herabzudrücken, um auf beider Kosten die Kapitalakkumulation gewaltig zu steigern. Von beiden Seiten schlagen aber die Bedingungen der Akkumulation auf einer gewissen Höhe in Bedingungen des Untergangs für das Kapital um.

Je gewalttätiger das Kapital vermittelst des Militarismus draußen in der Welt wie bei sich daheim mit der Existenz nichtkapitalistischer Schichten aufräumt und die Existenzbedingungen aller arbeitenden Schichten |411| herabdrückt, um so mehr verwandelt sich die Tagesgeschichte der Kapitalakkumulation auf der Weltbühne in eine fortlaufende Kette politischer und sozialer Katastrophen und Konvulsionen, die zusammen mit den periodischen wirtschaftlichen Katastrophen in Gestder Krisen die Fortsetzung der Akkumulation zur Unmöglichkeit, die Rebellion der internationalen Arbeiterklasse gegen die Kapitalsherrschaft zur Notwendigkeit machen werden, selbst ehe sie noch ökonomisch auf ihre natürliche selbstgeschaffene Schranke gestoßen ist.

Der Kapitalismus ist die erste Wirtschaftsform mit propagandistischer Kraft, eine Form, die die Tendenz hat, sich auf dem Erdrund auszubreiten und alle anderen Wirtschaftsformen zu verdrängen, die keine andere neben sich duldet. Er ist aber zugleich die erste, die allein, ohne andere Wirtschaftsformen als ihr Milieu und ihren Nährboden, nicht zu existieren vermag, die also gleichzeitig mit der Tendenz, zur Weltform zu werden, an der inneren Unfähigkeit zerschellt, eine Weltform der Produktion zu sein. Er ist ein lebendiger historischer Widerspruch in sich selbst, seine Akkumulationsbewegung ist der Ausdruck, die fortlaufende Lösung und zugleich Potenzierung des Widerspruchs. Auf einer gewissen Höhe der Entwicklung kann dieser Widerspruch nicht anders gelöst werden als durch die Anwendung der Grundlagen des Sozialismus - derjenigen Wirtschaftsform, die zugleich von Hause aus Weltform und in sich ein harmonisches System, weil sie nicht auf die Akkumulation, sondern auf die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der arbeitenden Menschheit selbst durch die Entfaltung aller Produktivkräfte des Erdrundes gerichtet sein wird.


Fußnoten von Rosa Luxemburg

(1) Diese Annahme macht z B. in der Tat Dr. Renner zur Grundlage seiner Schrift über die Steuern. »Alles, was in einem Jahre an Werten geschaffen wird«, sagt er, »spaltet sich in diese vier Teile. Und also können die Steuern eines Jahres nur aus ihnen geschöpft werden: Profit, Zins, Rente und Lohn sind die vier besonderen Steuerquellen.« (Das arbeitende Volk und die Steuern, Wien 1909, S. 9.) Renner erinnert sich zwar gleich darauf den Existenz der Bauern, erledigt sie aber mit einem Satz: »Ein Bauer zum Beispiel ist zugleich Unternehmer, Arbeiter und Grundeigentümer, er bezieht in seinem Wirtschaftsvertrag unter einem den Lohn, den Profit und die Rente.« Es ist klar, daß eine solche Spaltung des Bauerntums in alle Kategorien der kapitalistischen Produktion und die Betrachtung des Bauern als seines eigenen Unternehmers,. Lohnarbeiters und Grundherrn in einer Person eine blutleere Abstraktion ist. Die ökonomische Besonderheit des Bauerntums - will man es schon, wie Renner, als eine unterschiedslose Kategorie behandeln - besteht gerade darin, daß es weder zum kapitalistischen Unternehmertum noch zum Lohnproletariat gehört und daß es nicht kapitalistische sondern einfache Warenproduktion repräsentiert. <=

(2) Die Behandlung der Kartelle und Trusts als eine spezifischen Erscheinung der imperialistischen Phase auf dem Boden des inneren Konkurrenzkampfes zwischen einzelnen Kapitalgruppen um die Monopolisierung der vorhandenen Akkumulatiosgebiete und um die Verteilung des Profits liegt außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. <=

(3) In einer von den russischen Marxisten seinerzeit sehr gefeierten Antwort an Woronzow schrieb z.B. Professor Manuilow:

»Hier muß streng unterschieden werden zwischen der Unternehmergruppe, die Gegenstände des Kriegsbedarfs herstellt, und der Gesamtheit der Kapitalistenklasse. Für die Fabrikanten, die Kanonen, Gewehre und sonstiges Kriegsmaterial produzieren, ist die Existenz des Militärs zweifellos vorteilhaft und unentbehrlich. Es ist sehr wohl möglich, daß die Abschaffung des Systems des bewaffneten Friedens für die Firma Krupp einen Ruin bedeuten würde, es handelt sich aber nicht um irgendeine besondere Gruppe von Unternehmen, sondern lediglich um die Kapitalisten als Klasse, um die kapitalistische Produktion im ganzen.« Von diesem letzteren Standpunkte aber sei zu bemerken, daß »wenn die Steuerlast vorwiegend auf der Masse der arbeitenden Bevölkerung liegt, jede Vergrößerung dieser Last die Kaufkraft der Bevölkerung, damit aber auch die Nachfrage nach Waren verringert«. Diese Tatsache beweise, »daß der Militarismus vom Standpunkte der Produktion des Kriegsmaterials betrachtet, wohl die einen Kapitalisten bereichert, die anderen aber schädigt, auf der einen Seite einen Gewinn, auf der anderen aber einen Verlust bedeutet«. »Der Bote der Jurisprudenz«, 1890, Heft I: Militarismus und Kapitalismus.) <=

(4) Im Endergebnis führt die Verkümmerung der normalen Bedingungen, unter denen sich die Arbeitskraft erneuert, zur Verkümmerung der Arbeitskraft selbst, zur Verminderung ihrer durchschnittlichen Intensität und Produktivität, also auch zur Gefährdung der Bedingungen der Mehrwertproduktion. Allein diese weiteren Resultate, die erst nach längeren Zeitperioden dem Kapital fühlbar werden, fallen in seinen ökonomischen Berechnungen zunächst nicht ins Gewicht. Sie äußern sich freilich unmittelbar in einer allgemeinen Verschärfung der Abwehrreaktionen der Lohnarbeiter. <=


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