Paul Louis Courier

[ français ]

Pamphlet der Pamphlete

Während man mich, wie ihr aus den Tageszeitungen ersehen konntet, auf der Polizeipräfektur über meinen Namen, Vornamen und Stand verhörte, trat ein Mann, der sich dort anscheinend ohne jede amtliche Funktion befand, vertraulich auf mich zu und fragte mich in freundschaftlichem Ton, ob ich nicht der Verfasser gewisser Schriften sei; ich hätte mich gut verteidigt. Ach! mein Herr, sagte er mir, Sie sind ein großes Genie, Sie sind unnachahmbar. Dieser Ausspruch, meine Freunde, rief mir eine wenig bekannte historische Tatsache in Erinnerung, welche ich euch als Episode, Abschweifung oder Einschaltung erzählen will, wie ihr wollt; mir ist es ganz egal.

Ich frühstückte bei meinem Kameraden Duroc, der damals, man beachte diesen Umstand, seit kurzem ein meiner Meinung nach sehr häßliches Haus bewohnte, zwischen Hof und Garten gelegen; er hatte darin das Erdgeschoß gemietet. Wir waren mehrere Personen zu Tisch, in fröhlicher Laune und ließen es uns wohl sein, als plötzlich, ohne angemeldet zu sein, unser Kamerad Bonaparte eintritt, der Besitzer des alten Hauses, welcher das erste Stockwerk bewohnte. Er kam als Nachbar, und diese Freundlichkeit setzte uns dermaßen in Erstaunen, daß keiner der Gäste recht wußte, was er tat. Man erhebt sich, und ein jeder fragte: Was gibt es? Der Held bat uns, doch wieder Platz zu nehmen. Er war keiner von den Kameraden, zu denen man sagen kann: Setze dich und iß mit uns. Ja, lange vor der Erwerbung des alten Hauses wäre das angegangen. Aber heute? Bonaparte! Stehend betrachtete er uns, ging auf und ab und wußte nicht, was er uns sagen sollte. "Sind das Artischocken, was Sie da essen?" -"Jawohl, Herr General." -"Sie, Rapp, essen sie mit Öl?" -"Ja, Herr General!" -"Und Sie, Savary, mit Sauce? Ich pflege sie mit Salz zu essen." -"Ah, Herr General", antwortete der mit Savary Angesprochene", Sie sind ein großer Mann; Sie sind unnachahmbar." Hier meine geschichtliche Episode, welche ich mit der Absicht wiedergebe, um euch, meine Freunde, zu zeigen, daß man mich einmal wie Napoleon behandelt hat. Man schmeichelte dem Konsul nicht in uneigennütziger Weise; und als dieser gute Mann mich mit seinen süßen Worten so übermaßig zu loben begann, daß ich darüber fast meine Beherrschung verloren hätte, als er mich einen Mann ohnegleichen, als er mich unvergleichlich und unnachahmbar nannte, hatte er dabei seine bestimmten Absichten, so haben es mir seither Leute versichert, welche ihn kennen, und er wollte von mir irgend etwas, als er gedachte, mich auf meine Kosten zu loben. Ich weiß nicht, ob er seinen Zweck erreicht hat. Nach mancherlei Reden und Fragen, die ich so gut als möglich beantwortete, sagte er mir im Weggehen: "Hören Sie auf mich, und glauben Sie mir, mein Herr; verwenden Sie Ihr großes Genie zu anderen Dingen als dazu, Pamphlete zu machen."

Ich habe darüber nachgedacht und erinnere mich, daß vor ihm Herr von Broë, ein sehr beredter Mann, der sich für die öffentliche Moral auf das eifrigste einsetzte, mir dasselbe in weniger schmeichelhaften Ausdrücken vor dem Geschworenengerichtshof geraten hatte. "Niedriger Pamphletist ..." Es war eine rednerische Entflammung, wie man sie sich nicht schöner denken kann, als er sich gegen mich wandte und mich, der ich bei meiner Bauernehre an nichts weniger dachte, in folgender Weise apostrophierte: "Niedriger Pamphletist" etc., ein Blitzstrahl, nein, ein Keulenschlag war es, im Stil des Redners gesprochen, mit dem er mich ohne Erbarmen zu Boden streckte. Dieses Wort, welches die Richter, die Zeugen, die Geschworenen, die Zuhörer gegen mich einnahm (ja selbst mein Verteidiger schien davon erschüttert zu sein), dieses Wort entschied alles. Von diesem Augenblicke an, seit mich der StaatsanwPamphletist genannt hatte, war ich im Geiste dieser Herren verurteilt. Und ich selbst wußte nichts darauf zu erwidern. Denn es leuchtete mir in meinem Innern wohl ein, das gemacht zu haben, was man ein Pamphlet nennt, ich hätte es nicht zu leugnen gewagt. Ich war also meinem eigenen Urteilsspruch nach Pamphletist, und als ich das Entsetzen sah, welches eine solche Bezeichnung der ganzen Zuhörerschaft einflößte, blieb ich verwirrt. Als ich zu mir kam, befand ich mich mit einem meiner Geschworenen, dem Buchhändler Herrn Arthus Bertrand, der zu seinem Essen ging, nachdem er mich schuldig erklärt hatte, auf der großen Stiege. Ich grüßte ihn; er trat auf mich zu, denn er ist der beste Mensch, den man sich denken kann, und unterwegs bat ich ihn, mir zu sagen, was seiner Meinung nach an dem verurteilten "Simple discours" auszusetzen wäre. "Ich habe ihn nicht gelesen", entgegnete er mir, "aber es ist ein Pamphlet, und das genügt mir." Ich fragte ihn also, was ein Pamphlet eigentlich sei, denn trotzdem mir der Sinn dieses Wortes nicht neu war, bedurfte er für mich einiger Erklärung. "Das ist", antwortete er mir, "eine Schrift von wenigen Seiten, von ein oder zwei Blättern, wie die Ihre." -"Wäre es noch ein Pamphlet, wenn es aus drei Blättern bestünde?" fragte ich. -"Vielleicht, in der allgemeinen Ansicht", erwiderte er, "aber sachlich gesprochen, hat das Pamphlet nur ein einziges Blatt, zwei oder mehrere sind eine Broschüre." -"Und zehn Blätter? Fünfzehn Blätter? Zwanzig Blätter? -"Sind ein Buch", sagte er mir, "ein Werk."

Ich verlasse mich in dieser Hinsicht auf Sie, mein Herr, Sie müssen diese Dinge verstehen. Leider fürchte ich in der Tat ein Pamphlet gemacht zu haben, wie der Staatsanwalt sagt. Bei Ihrer Ehre und Gewissen, nachdem Sie Geschworener sind, Herr Arthus Bertrand, ist meine Schrift von ein und einem halben Blatt Flugschrift oder Pamphlet? "Pamphlet", sagte er mir", Pamphlet ohne Zweifel!" Ich bin also Pamphletist? "Ich hätte es Ihnen aus Rücksicht, Schonung und Mitgefühl an Ihrem Unglück nicht gesagt, aber es ist so. Übrigens", fügte er hinzu, "wenn Sie bereuen, wird Ihnen Gott (so groß ist seine Barmherzigkeit) in der anderen Welt vergeben. Gehen Sie, mein guter Herr, und sündigen Sie nicht mehr, gehen Sie ins Gefängnis von Sainte-Pelagie."

So tröstete er mich. Mein Herr, sagte ich ihm, Verzeihung, noch eine Frage. -"Auch zwei", entgegnete er mir, "und mehr, und soviel Sie wollen, bis halb fünf, die es, glaube ich, gleich schlagen wird." -Gut, hier ist meine Frage. Hätte ich anstatt dieses Pamphlets auf die Subskription von Chambord ein Buch, ein Werk geschrieben, würden Sie es da auch verurteilt haben? -"Je nachdem." -Ich verstehe, Sie hätten es vorerst gelesen, um zu sehen, ob es verdammenswert sei. -"Ja, ich hätte es geprüft." -Aber das Pamphlet lasen Sie nicht! -"Nein, weil ein Pamphlet nicht gut sein kann. Wer Pamphlet sagt, bezeichnet damit eine Schrift voll von Gift." -Gift? -"Ja, mein Herr, noch dazu eines der abscheulichsten, ohne solches würde man es nicht lesen." -Und wenn es kein Gift enthalten würde? -"Nein, so ist die Welt beschaffen, man liebt das Gift in allem vorzufinden, was gedruckt wird. Ihr Pamphlet zum Beispiel, welches wir eben verurteilt haben, kenne ich nicht, ich weiß in der Tat nicht und will auch nicht wissen, was es ist, aber man liest es; es ist Gift darin. Der Herr Staatsanwhat es uns gesagt, und ich zweifelte nicht daran. Sehen Sie, es ist das Gift, welches die Justiz in dieser Art Schriften verfolgt. Denn sonst ist die Presse frei, drucken Sie, veröffentlichen Sie alles, was Sie wollen, nur kein Gift. Sie wehren sich vergeblich dagegen, meine Herren, man wird Sie kein Gift verbreiten lassen. Das ist bei einer guten Polizei nicht möglich, auch ist die Regierung da, welche Sie daran wohl hindern wird."

Gott, sagte ich mir ganz leise, Gott, befreie uns von dem Bösen und von der bildlichen Redeweise! Die Ärzte hätten mich fast getötet, als sie mein Blut "auffrischen" wollten, dieser hier sperrt mich aus Angst ein, damit ich kein "Gift" schreiben könne; andere lassen ihr Feld "ausruhen", während es unseren Märkten an Getreide mangelt. Jesus, mein Retter, erlöse uns von der Metapher!

Nach diesem kurzen Selbstgespräch fuhr ich fort: In der Tat, mein Herr, das Gift hat gar keinen Wert, und man tut sehr wohl daran, seine Verbreitung zu verhindern. Aber ich bin sehr erstaunt, daß die Welt, wie Sie behaupten, eine so große Vorliebe dafür hat. Ohne Zweifel kommt mit diesem Gift etwas in die Pamphlete hinein... -"Ja, Zoten, Wortspiele und schlechte Scherze. Was wollen Sie, mein guter Herr, was wollen Sie Großes an Geist auf ein armseliges Blatt bringen? Welche Ideen kann man darauf entwickeln In den vernünftigen Werken ahnt man noch beim sechsten Band kaum, wo der Autor hinauswill." -Es ist wahr, sagte ich, ein Blatt kann nichts Großes enthalten. -"Nichts von Wert", sagte er mir, "und ich lese keines." -Sie lesen also nicht die Verordnungen des hochwürdigen Bischofs von Troyes für die Fastenzeit und den Advent? -"Ah, das ist doch ein großer Unterschied!" -Noch die Hirtenbriefe von Toulouse über die päpstliche Oberherrschaft! -"Ah, das ist etwas ganz anderes." -Jedoch Ihrer Meinung nach kann also eine Flugschrift, ein einfaches Blatt... -"Pfui, sprechen Sie mir nicht davon, es ist ein Schandfleck in der Literatur, eine Schande des Jahrhunderts und der Nation, daß sich für derartige Unverschämtheiten Autoren, Drucker und Leser finden." -Mein Herr, sagte ich ihm, die "Lettres provinciales" von Pascal... -"Oh, welch bewunderungswürdiges, göttliches Buch, ein Meisterwerk unserer Sprache!" -Nun also, dieses göttliche Meisterwerk besteht trotzdem aus Pamphleten, aus Blättern, welche erschienen... -"Nein, halten Sie ein, darüber habe ich meine Prinzipien und Ideen. Sosehr ich die großen Werke achte, welche dazu geschaffen sind, in der Nachwelt zu leben und sie zu überdauern, so sehr verachte und verabscheue ich diese kleinen vergänglichen Schriften, diese Blätter Papier, welche von Hand zu Hand gehen und den Leuten von heutzutage von gegenwärtigen Dingen erzählen; ich kann die Pamphlete nicht leiden." -Und Sie lieben die "Provinciales", die kleinen Briefe, wie man sie damals nannte, als sie von Hand zu Hand gingen? -"Wirklich", fuhr er fort, ohne auf meine Worte zu achten, "Sie, mein Herr, der Sie allem Anschein nach aus guter Familie sind, der Sie eine gute Erziehung genossen haben und dazu geschaffen sind, etwas in der Welt vorzustellen (denn was hinderte Sie schließlich daran, Baron zu werden, wie ein anderer? Als wohlbestallter Beamter bei der Polizei, der Zollverwaltung, als Kerkermeister oder Polizist würden Sie einen Rang und eine angesehene Stellung einnehmen), wie können Sie sich so weit erniedrigen und Pamphlete machen! Treibt Ihnen dieser Gedanke nicht die Schamröte ins Gesicht?" -Blaise, antwortete ich ihm, Blaise Pascal war weder Kerkermeister noch Polizist und auch nicht der Untergebene des Herrn Franchet. -"Pst! Still! Reden Sie leiser, denn er könnte uns hören." -Wer denn? Der Abbe Franchet? Ist er so nahe von uns? -"Mein Herr, er ist überall. Da schlägt es gerade halb fünf; ergebener Diener." -Ich der Ihrige. Er verläßt mich und entfernt sich eiligst von mir.

Das, meine lieben Freunde, ist des Nachdenkens wert; drei so ehrbare Leute: Herr Arthus Bertrand, dieser Herr von der Polizei und Herr von Broë, welcher eine hervorragende und würdige Persönlichkeit auf dem Gebiete der Wissenschaft ist; drei Männer, welche dem Pamphlet mehr als feindlich gegenüberstehen. Es gibt genug andere aus der besten Gesellschaft, welche ihren Freund betrügen, seine Tochter oder Frau verführen, die ihrige herleihen, um eine Ehrenstelle zu erlangen, welche jedermann belügen, begaunern, ehrlos sind und es für eine große Schande halten würden, in einer Schrift von fünfzehn oder sechzehn Seiten die Wahrheit gesagt zu haben; denn in der Kleinheit dieser Zahl liegt alles Übel. Sechzehn Seiten; du bist Pamphletist, und Achtung vor Sainte-Pelagie! Schreibe sechzehnhundert, und du wirst dem König vorgestellt werden. Leider kann ich das nicht. Als im Jahre 1815 der Bürgermeister unserer Gemeinde, derselbe, der es heute noch ist, seine Gendarmen bei Nacht gegen uns stürmen ließ und die armen Leute, die an der Revolution ganz unschuldig waren, aus dem Bett zerren ließ und ihre Frauen und Kinder zugrunde gingen, gab es Stoff genug, um ganze Bände zu schreiben, und ich schrieb nur ein Blatt, so sehr fehlte es mir an Worten. Und auch das packte ich verkehrt an. Hätte ich, anstatt meinen Namen zu nennen und gleich, wie ich es tat, damit zu beginnen, "meine guten Herren, ich bin aus der Touraine", hätte ich nach dem Geschmack des Abbé de la Mennais begonnen: "Christen, nach den unerhörten Attentaten einer höllischen Revolution ...", so wäre es mir, einmal an diesen Ton gewöhnt, leicht gewesen, meinen Band fortzusetzen und zu Ende zu führen, ohne den Staatsanwalt gegen mich aufzubringen. Aber ich schrieb sechzehn Seiten, beiläufig so, wie ich sonst zu euch spreche, und wurde zum argen Pamphletisten; als dann die Subskription von Chambord kam, hätte ich, an die Tatsache gewöhnt, klugerweise nichts mehr dazu sagen dürfen; das war ein Stoff, der nicht in einem und nicht in hundert Blättern zu bearbeiten war; es war darüber kein Pamphlet, keine Flugschrift, kein Band zu schreiben, denn es war schwierig, den niedrigen Schmeicheleien noch etwas hinzuzufügen, und gefährlich, ihnen zu widersprechen, wie ich es versuchte. Daß ich darüber ohne Umschweife und Umschreibung in wenigen Worten meine Gedanken ausdrücken wollte, als Pamphletist noch dazu, trug mir zwei Monate Gefängnis in Sainte-Pelagie ein. Als ich dann anläßlich der Tanzmusik, welche man uns wegen der Kirche, die daran Interesse hatte, untersagte, aus eigenem Antrieb ernsthaft meine Meinung sagte, konnte ich nicht anders und verfiel wieder in das Pamphlet. Ich wurde angeklagt und verfolgt, meine unschuldige Sprache, meine schüchterne Rede fand kein Gehör; ich wurde von den Richtern zurechtgewiesen. Alles, was gedruckt wird, enthält Gift, das darin je nach dem Umfang des Werkes mehr oder minder verbreitet ist, ein mehr oder minder schädliches, tödliches Gift. Ein Körnchen Morphium in einem Bottich verliert sich, wird darin kaum wahrnehmbar, in einer Schale reizt es zum Erbrechen, in einem Teelöffel hat es tödliche Wirkung, so ist es auch mit dem Pamphlet. Aber andererseits schreibt mir mein guter Freund, der Ritter Sir John Bickerstaff, folgendes, das ich euch gleich übersetzen will. Er ist ein hervorragender Mann, Philosoph, wissenschaftlich gebildet, wie man es nicht gründlicher sein kann, ein Anhänger der Reform, nicht nur in bezug auf das Parlament, sondern in jeder Beziehung, und will alle Regierungsformen Europas verbessern, von denen selbst die beste, wie er sagt, nicht viel Wert ist. Er lebt in seinem Lande von einem rechtschaffenen Vermögen. Seine Ländereien breiten sich nach allen Richtungen im Umkreis von nur zehn Meilen aus, was ein Einkommen von höchstens zwei bis drei Millionen bedeutet; aber er beschied sich damit und lebte in dieser lauen Mittelmäßigkeit, als die Minister, die in ihm den geeigneten Mann von nachgiebiger Laune erkannten, wie es die Gelehrten sind, wie es Newton war, ihn zum Eintritt in das Parlament aufforderten. Er war kaum darin, als er auch schon gegen die Ausgaben des Hofes und die Korruption der Sinekuren zu wettern und zu toben begann. Die Minister, welche glaubten, daß er seinen Anteil daran reklamiere, boten ihm eine Stelle an, die er annahm, und eine seinem Vermögen angemessene Summe (nach Sitte der Regierung, die demjenigen mehr gibt, der mehr hat), die er bezog. Versehen mit diesem Gelde kehrt er auf sein Gut zurück, versammelt die Bauern, Landleute und alle Pächter der Grafschaft um sich und sagt ihnen folgendes: Durch einen glücklichen Zufall habe ich einen Teil dessen erwischt, das man euch raubt, um die Gauner und Nichtstuer des Hofes damit zu erhalten. Hier das Geld, welches ich euch ganz zurückerstatten werde. Beginnen wir bei den Ärmsten. Peter, wieviel hast du dieses Jahr bezahlen müssen? So viel; da ist es. Du, Paul; ihr, Isaak und John, eure Quote? Und er zählt sie ihnen auf; und so weiter auch das übrige. Hierauf kehrt er nach London zurück, wo er seine neue Stellung antritt; zuerst wollte er alle diejenigen auf freien Fuß setzen, welche wegen Verbrechen des Wortes, wegen Reden gegen die Großen, die Minister, die Schweizer eingesperrt waren, und hätte es auch getan, denn seine Stellung bemächtigte ihn dazu, wenn man ihn nicht raschestens abgesetzt hätte.

Seither lebt er auf Reisen und schreibt mir aus Rom: "Lassen Sie die Leute reden, lassen Sie sich tadeln, verurteilen, einsperren, lassen Sie sich hängen, aber verbreiten Sie Ihre Gedanken. Dies ist kein Recht, es ist eine Pflicht, eine strenge Verpflichtung jedermanns, der einen Gedanken hat, ihn zum Wohle der Allgemeinheit zu veröffentlichen. Die Wahrheit gehört allen ganz. Das, was Sie als nützlich und für jedermann gut zu wissen erkennen, können Sie mit gutem Gewissen nicht verschweigen. Jenner, welcher den Impfstoff fand, wäre ein Schurke gewesen, wenn er dieses Geheimnis auch nur eine Stunde bewahrt hätte, und da es keinen Menschen gibt, der seine Ideen nicht für nützlich hält, gibt es auch keinen, der nicht die Verpflichtung hätte, sie durch alle ihm zu Gebote stehenden Mittel mitzuteilen und zu verbreiten. Sprechen ist gut; schreiben ist besser; drucken ist die vorzüglichste Sache. Druckt man einen Gedanken, der in kurzen, klaren Sätzen abgeleitet und mit Beweisen, Belegen und Beispielen versehen wird, so entsteht daraus ein Pamphlet und zugleich die beste und auch oft mutigste Tat, die ein Mensch vollbringen kann. Denn, ist der Gedanke gut, zieht man daraus Nutzen; ist er schlecht, verbessert man ihn und profitiert so wieder davon. Aber der Mißbrauch... was für ein dummes Wort; die es erfunden haben, sind diejenigen, welche die Presse wirklich mißbrauchen, indem sie das, was ihnen beliebt, drucken, indem sie betrügen, verleumden und es verhindern, daß man ihnen antwortet. Wenn sie auf die Pamphlete, Zeitungen und Flugschriften schimpfen, haben sie ihre besonderen Gründe. Ich habe die meinen und wollte, daß es deren mehr gäbe und daß jeder alles, was er denkt und weiß, veröffentlichte! Die Jesuiten wetterten auch gegen Pascal und hätten ihn Pamphletist genannt, aber dieses Wort kannte man damals noch nicht; sie nannten ihn ,Höllenbrand', was dasselbe in ihrem heuchlerischen Stil bedeutet. Das bezeichnet jedenfalls einen Mann, der die Wahrheit sagt und sich Gehör erzwingt. Sie antworteten auf seine Pamphlete mit ebensolchen, ohne Erfolg, dann mit Verhaftsbefehlen, die ihnen bedeutend besser gelangen. Es war die übliche Antwort, welche den Pamphleten von den Machthabern und Jesuiten zuteil wird."

"Nach ihren Worten indessen handelte es sich nur um eine Bagatelle, sie verachteten die Petites Lettres gleich armseligen Possen, welche höchstens imstande seien, einen Moment durch die üblen Nachreden und den Skandal zu amüsieren; Schriften, die keinen Wert besäßen, keine Tiefe, keinen Inhalt, keine Substanz, wie man sich jetzt auszudrücken pflegt, Schriften, welche man morgens liest und abends schon vergessen hat, die seiner übrigens unwürdig sind, eines so bedeutenden Mannes, eines Gelehrten! Der Autor entehre sich, wenn er mit solchen Dingen seine Zeit und sein Talent verschwende; wenn er Blätter statt Bücher schriebe und alles verspotte, anstatt darüber ernsthaft nachzudenken; das war der Vorwurf, den sie ihm machten, die alte und übliche Art des Streites für den, der die Lacher nicht auf seiner Seite hat. Und was ist geschehen? Der Hohn und der feine Spott Pascals hat das bewirkt, was die Verordnungen und Edikte nicht bewirken konnten, er hat die Jesuiten überall hinausgejagt. Diese so leichten Blätter haben den schweren Körper erdrückt. Ein Pamphletist, der spielend diesen Koloß zerschmettert, ein Koloß, der von den Königen und dem Volke so sehr gefürchtet war. Die Gesellschaft, die gestürzt ist, wird sich nicht wieder erheben, mag man ihr auch welche Stütze immer geben, aber Pascal wird immer groß bleiben, nicht durch seine wissenschaftlichen Werke, sein Rad und seine Versuche, sondern durch seine Pamphlete und seine Petites lettres."

"Nicht die Tuskulaner haben Cicero einen Namen gemacht, sondern seine Ansprachen, welche wahre Pamphlete sind. Sie erschienen in losen Blättern, welche entgegen der damaligen Sitte nicht um ein Stäbchen gerollt waren; die meisten davon und noch dazu die schönsten sind nicht veröffentlicht worden. Was war sein "Caton" anderes wenn nicht ein Pamphlet gegen Cäsar, der ihm darauf sehr gut antwortete, so gut, als er es als ein Mann von Geist verstand, der würdig ist, selbst nach Cicero gehört zu werden? Später ließ ein anderer Grausamer, der von ihm in irgendeinem Blatt verunglimpft wurde und der weder Cäsars Feder noch seinen Degen besaß, als Antwort den römischen Pamphletisten töten. So ächtet, verfolgt und rächt man sich gewöhnlich an jenen, die den Mut besitzen, das auszusprechen, was jedermann denkt. Auf gleiche Weise ist vor ihm der große Pamphletist Griechenlands, Demosthenes, dessen Philippiken ein Vorbild ihrer Art sind, beiseite geschafft worden. Wenn er sie vor einigen Leuten in einer Versammlung vorgetragen hätte, wären sie mißverstanden worden und hätten kein großes Aufsehen gemacht; da sie aber geschrieben wurden, las man sie, und diese Pamphlete gaben, nach einem eigenen Ausspruch des Mazedoniers, ihm mehr zu schaffen als die Waffen Athens; er wurde schließlich besiegt und verlor Demosthenes und die Freiheit."

"Glücklich ist Amerika in unseren Tagen, und Franklin, welcher sein Land frei sah, hat mehr als jeder andere durch sein berühmtes "Gesunder Menschenverstand", eine Flugschrift in zwei Blättern, zu dessen Befreiung beigetragen. Weder ein Buch noch ein großes Werk hat jemals so viel für die Menschheit getan. Denn zu Beginn des amerikanischen Aufstandes waren alle Staaten, Städte und Marktflecken geteilter Meinung; die einen waren, nicht ganz ohne Grund, Anhänger Englands und seiner legitimen Macht, andere wieder befürchteten, sich dadurch zu zersplittern und alles zu verlieren, wenn sie das Unmögliche wagten; andere wieder sprachen von einem Abkommen und waren bereit, sich mit einer mäßigen Freiheit zufriedenzustellen und mit einem aufgezwungenen Vertrag, sollte er auch in Schwebe sein und bald abgeändert werden, wenige wagten ein glückliches Resultat von so viel verschiedenen Wünschen zu erhoffen. Man sah an dem Stand der Dinge, was das geschriebene Wort in einem Lande ausrichten kann, wo jedermann liest; es ist eine neue Macht und wohl verschieden von jener der Tribüne. Einige Worte aus einer Ansprache werden aus Zufall von irgend jemandem aufgefaßt; aber die Presse spricht zu einem ganzen Volk, zu allen Völkern zugleich, vorausgesetzt, daß sie lesen, wie man es in Amerika tut; und vom Gedruckten geht kein Wort verloren. Franklin schrieb; sein "Gesunder Menschenverstand" vereinigte alle Meinungen in der Partei der Unabhängigen und entschied diesen großen Krieg, welcher, in Amerika beendet, in den übrigen Ländern forttobt."

"Er war weise; wer hätte davon gewußt, wenn er seine Weisheit nicht niedergeschrieben hätte? Sprich zu den Menschen von ihren Angelegenheiten und von den momentanen Erfordernissen, und sei von allen vernommen, wenn du einen Namen haben willst. Mache Pamphlete wie Pascal, Franklin, Cicero, Demosthenes, wie der heilige Paulus und der heilige Basilius; wahrhaftig, fast hätte ich diese großen Männer zu erwähnen vergessen, deren Schriften das heidnische Volk über die Religion ihrer Väter aufklärten, einen großen Teil des antiken Aberglaubens zerstörten und neue Nationen schufen. Zu jeder Zeit haben Pamphlete eine Änderung im Antlitz der Welt bewirkt. Sie verbreiteten bei den Engländern die toleranten Prinzipien, welche Penn nach Amerika gebracht hat, und diesen wieder verdankt Franklin seine Freiheit, welche durch dieselben Mittel, durch welche sie errungen wurde, aufrechterhalten wird, durch Pamphlete, Zeitungen und die Öffentlichkeit. Dort wird alles gedruckt; nichts, was der Allgemeinheit wichtig ist, bleibt ihr Geheimnis. Die Presse ist dort übrigens freier als die Rede; infolgedessen mißbraucht man sie weniger. Warum? Weil man sich ihrer ohne Einschränkung bedienen kann und weil eine Unrichtigkeit, von wo sie auch kommen mag, sofort von denen widerrufen wird, die daran Interesse haben und die durch nichts gezwungen werden zu schweigen. Man kennt keine Schonung für einen Betrug, welcher der Öffentlichkeit bekannt ist; Großsprecherei ist dort unmöglich; das Publikum wird nicht getäuscht, nachdem es niemandem möglich ist zu lügen und jedem Widerspruch Schweigen zu gebieten. Die Presse richtet kein Unheil an und verhütet... wieviel?"

"An Euch ist es, dies zu bemessen, nachdem Ihr allen Mißbrauch in Eurem Lande in Betracht gezogen habt. Es erscheinen nur wenige Bände, von großen Büchern überhaupt keine, und doch liest jedermann; das ist das einzige Volk, welches liest, und deshalb das einzige, welches weiß, was man wissen muß, um nur den Gesetzen zu gehorchen. Gedruckte Blätter kommen täglich in unendlichen Mengen in Umlauf und bilden einen gemeinsamen Unterricht von Leuten jeden Alters. Denn fast jeder schreibt für die Zeitungen, doch durchaus nicht in leichtfertigem Ton; keine pikanten Phrasen oder kunstvollen Wendungen, die klare und deutliche Ausdrucksform genügt diesen Leuten. Ob es sich jetzt um eine Reform im Staate, eine Gefahr, um ein Bündnis der europäischen Mächte gegen die Freiheit oder um das bestgeeignete Terrain für die Rübenaussaat handelt - der Stil bleibt immer der gleiche und ist gut, wenn ihn jeder versteht. Je knapper er ist, desto besser ist er auch, das ist ein außergewöhnliches Verdienst, wißt Ihr das? Es ist nicht leicht, in wenig Worte viel Sinn hineinzulegen. Wie wenig davon findet man in einer Seite eines Buches! Und wenige Leute sind imstande, zehn zu schreiben, in denen keine Dummheit enthalten ist. Der geringste von den Briefen Pascals war schwieriger zu schreiben als die ganze Enzyklopädie. Unseren Amerikanern ist das vielleicht gar nicht zum Bewußtsein gekommen, aber der gute Geist Franklins leitet sie; sie sind knapp in ihren Schriften, sparsam an Worten und schreiben sowenig Bücher als möglich, ihre Ideen veröffentlichen sie nur in Pamphleten und Zeitschriften, welche, indem sie sich gegenseitig korrigieren, jede Erfindung und jeden neuen Gedanken zu seiner Vervollkommnung führen. Wenn ein Mann etwas für das Publikum Interessantes erfindet oder entdeckt, wird er durchaus kein großes Werk schreiben, auf dem in Riesenlettern sein Namen prangt, "von Herrn ..., Mitglied der Akademie", sondern einen Zeitungsartikel oder höchstens eine Flugschrift. Und nehmt zur Kenntnis, was bei Euch von so vielen, die zu schreiben sich unterfangen, mißverstanden wird, es gibt keinen guten Gedanken, den man nicht zur Genüge auf einem Blatt entwickeln und erklären könnte; wer mehr darüber schreibt, macht sich oft weniger gut verständlich, es fehlt ihm an Zeit, um nachzudenken und sich kurz zu fassen."

"So kommt es, daß man in Amerika schreibt und druckt, ohne daß einem die eigentliche Bedeutung des Wortes Schriftsteller oder Autor zum Bewußtsein kommt, man liest dort ebensoviel und sogar noch mehr als anderswo und noch dazu nützliche Dinge, denn nur dort gibt es öffentliche Angelegenheiten im wahrsten Sinne des Wortes, mit denen sich die Allgemeinheit in voller Sachkenntnis befaßt, über die sie um Rat befragt wird, um darüber ihre Meinung zu äußern und ihr Gutachten abzugeben. Die Nation sammelt die Stimmen wie bei einer fortwährenden Versammlung, es wird jeder Punkt des allgemeinen Interesses erörtert, die Beschlüsse werden durch die Meinung bestimmt, welche im Volke vorherrscht, wohlgemerkt, im ganzen Volke ohne jede Ausnahme; das ist der gute Geist Franklins. Deshalb macht sie auch weniger Mißgriffe und wagt es, sich über das Kabinett und vielleicht sogar über die Boudoirs lustig zu machen."

"Solche Ideen, glaube ich, würden im Lande der Boudoirs bei den Damen nicht durchdringen. Diese Regierungsform gewöhnt sich schwer an die Pamphlete und an die naive Wahrheit. Es wäre vergebene Mühe, zu Mademoiselle de Pisseleu, Mademoiselle Poisson, Madame B. und Madame C. verständig zu sprechen und ihnen die öffentliche Meinung zu erklären. Diese liebenswürdigen Geschöpfe, welche bei Euch die Macht haben, den Staat zu regieren, würden in Lachen ausbrechen und den gesunden Verstand samt Franklin und der öffentlichen Meinung bald vergessen haben. Liebenswürdige Franzosen, unter der Herrschaft der Schönheit und Anmut seid Ihr mehr denn je ein Volk der Höflinge. Durch die Revolution ist Versailles im Volke aufgegangen; Paris ist da Hahn im Korbe geworden. Ganz Frankreich macht ihm den Hof. Das ist Eure Kunst, demjenigen zu gefallen, in dessen Schule Ihr gegangen seid; das ist das Genie Eurer Nation. Der Engländer befaßt sich mit Schifffahrt, der Araber raubt, der Grieche kämpft, um frei zu werden, der Franzose macht seine untertänige Verbeugung und dient oder will dienen; er würde zugrunde gehen, könnte er nicht dienen. Ihr seid nicht die Sklaven, Ihr seid die Bedienten unter den Völkern."

"Und aus diesem Bedientengeist heraus fürchtet ein jeder bei Euch "Pamphletist" genannt zu werden. Die Herren sehen es nicht gerne, daß man zum Publikum, von was es auch immer sei, rede; das ist der Fehler Rovigos, der, als er sich um eine Stelle bewarb, ein Pamphlet statt einer Bittschrift verfaßte. Er versicherte vergeblich darin: "Wie ich bisher gedient habe, werde ich weiter dienen", man hörte ihn nicht einmal an, und er wurde vor die Tür gesetzt. Der gräfliche Pamphletist hat eine Stelle erhalten, aber was für eine? Die, welche ihn untergebracht haben und seine Stellung dort ermöglichen, wollten ihn nicht bei sich sehen. Die hohe Livree erfordert, wie jeder Dienst, diskrete Leute, und es gibt keinen schlechteren Bedienten als jenen, der nachdenkt: bedenket doch, wenn er schriebe, und noch dazu Flugschriften! Von Herrn von Broë "Pamphletist" genannt zu werden war gleichbedeutend, wie wenn er gesagt hätte: Unglücklicher, der niemals weder Stellung noch Gehalt haben wird; Armseliger, bei keinem Großen wird man dich antichambrieren sehen, dir wird im Leben weder Gunst noch Gnade, kein Lächeln, kein hoheitsvoller Blick zuteil werden. Das ließ die Leute erschauern und war der Grund, daß man von Ihnen abfiel, als man diese Worte hörte."

"Ihr seid alle anständige Leute in Frankreich, dreißig Millionen anständiger Leute, welche das Volk durch Moral und Religion regieren wollen. Man weiß, daß man ihm, um es zu regieren, nicht die Wahrheit sagen darf. Die Wahrheit ist volkstümlich, ja sogar pöbelhaft, wenn man so sagen darf, sie erinnert an das Gesindel, ist der Antipode des vornehmen Ansehens und dem Ton der guten Gesellschaft diametral entgegengesetzt."

"So kommt es, daß der wahrheitsliebende Autor eines Blattes oder einer Flugschrift notwendigerweise alles gegen sich hat, das nicht Volk sein will, und das sind bei Euch alle. Ein jeder bei Euch verleugnet es. Wenn es nichtsdestoweniger durch eine göttliche Erlaubnis dennoch existiert, ist es deshalb, weil es als Skandalerreger notwendig ist. Aber wehe dem, welcher der Urheber des Skandals ist und es wagt, über einen wichtigen Gegenstand des allgemeinen Interesses dem Publikum die Wahrheit zu sagen. In Frankreich wird er in Kirchenbann getan, verflucht und, wenn es gut geht, in Sainte-Pelagie eingesperrt, es wäre besser für ihn, nie geboren worden zu sein."

"Aber die Verfolgung verleiht andererseits seinen Worten Glaubwürdigkeit. Keine Wahrheit dringt ohne Martyrium durch, ausgenommen die, welche Euklid lehrte. Nur durch Leiden kann man seine Meinung durchsetzen; und der heilige Paulus sagte: "Glaubet mir, denn ich sitze oft im Gefängnis." Wenn er in Wohlstand gelebt und sich an dem Dogma, das er predigte, bereichert hätte, würde er nie die Religion des Christus begründet haben. Nie wird F... mehr durch seine langweiligen Moralpredigten erlangen als Ämter und eine Kutsche. Und Du, Winzer Paul-Louis, der Du der einzige in Deinem Lande bist, der sich dazu bekennt, ein Mann aus dem Volke zu sein, wage noch ein Weiteres, sei Pamphletist und gestehe es offen ein. Schreibe, mache Pamphlete über Pamphlete, solange es Dir nicht an Stoff mangelt. Steige auf die Dächer, predige den Nationen das Evangelium, und man wird Dich anhören, wenn man Dich verfolgt weiß; denn dieses Hilfsmittel ist nötig, und Du würdest nichts ohne Herrn von Broë ausrichten. An Dir ist es, zu sprechen und ihm an Hand seiner Anklagerede die Wahrheit Deiner Worte zu beweisen. Wenn Ihr miteinander im Einklang seid und einer dem anderen beisteht wie Sokrates und Anytus, könnt Ihr die Welt bekehren."

Das ist die Epistel, die mir mein sehr guter Freund Sir John schreibt, der über die Pamphlete gerade das Gegenteil von Herrn Arthus Bertrand denkt und rät. Der eine kann sich nichts Abscheulicheres, der andere nichts Schöneres denken. Welcher Unterschied! und merket wohl: der leichte Franzose legt nur auf schwere Bände Wert, der derbe Engländer will alles auf lose Blätter schreiben; seltsamer Kontrast, wunderliche Natur! Wenn ich damit rechnen könnte, daß die Dinge jenseits des Ozeans so sind, wie er sie mir darstellt, würde ich hinübergehen. Aber ich höre, daß es dort, ebenso wie in Europa, Exzellenzen und, was noch schlimmer ist, Heroen gibt. Bleiben wir, meine Freunde, gehen wir noch nicht. Wenn uns Gott hilft, werden wir hier vielleicht ebensoviel Freiheit haben als anderswo, was Sir John auch sagen mag. Ein guter Mann, in der Tat! Ich fürchte bloß, daß er sich täuscht, wenn er mich dazu geschaffen glaubt, Sokrates bis ins Äußerste nachzuahmen. Nein, lasst diesen Kelch an mir vorübergehen; der Schierlingsbecher ist bitter, und die Welt bekehrt sich von selbst genug, ohne daß ich Schwacher mich darum bekümmere. Ich wäre wie die Fliege am Postwagen, der auch ohne mein Summen sein Fortkommen findet. Er rollt, meine Freunde, und hört nicht auf zu rollen. Wenn uns sein Tempo langsam erscheint, dann deshalb, weil unser Leben nur einen Augenblick währt. Aber welchen Weg hat er seit fünf oder sechs Jahrhunderten zurückgelegt! Und jetzt, wo er im vollen Laufe ist, kann ihn nichts mehr aufhalten.

Paul Louis Courier

Letzte Änderung: 12. Jun. 2001, Adresse: /deutsch/plcpampd.html