Feuer! Feuer!
Deutschland schläft! Deutschland werde rot!

Werde rot vor Scham, Deutschland! Die Welt steht auf, doch du verschläfst den Tag der Ehren und diebische Diplomatenfinger stehlen dir das kleine Lorbeerreis von 1848 aus deinen Haaren. Werde rot vor Scham, sonst nistet über Nacht der rote Hahn der Zerstörung auf deinen Städten und du wirst die Beute von Schurken und Räubern.

Die Ungarn stehen fast unter den Mauern von Wien, der Hof in Olmütz packt seine Reisewagen, die Dynastie Habsburg, dein Erzfeind, zittert mit ihren 38 Millionen "Untertanen" vor dem Heldenvolke der vier Millionen Magyaren und Deutschland, du schläfst!

Das schwarzgelbe Gesindel flieht zitternd aus Wien; Windischgrätz, der gefürstete Henker, wird fast wie ein Gefangener mitten aus seiner Armee von den Stabsoffizieren nach Olmütz transportiert, der Geist Robert Blums hebt sich aus seiner Gruft vom Währinger Kirchhof und schaut nach seinen Rächern und Deutschland, du schläfst?

Die Slawen fluchen Jellachich, dem "lieben" Jellachich der Erzherzogin Sophie, der sie von neuem verriet an Habsburgs Szepter und strömen zu Kossuths Fahnen; binnen kurzem werden sie in Prag tagen und eine neue Weltherrschaft gründen und - Deutschland, du schläfst?

England und Frankreich hindern schon Piemont am Priedensabschluß mit Österreich, von neuem wird Österreichs Adler in seinem Fluge gehemmt, der Nacht breiten will über Italien, dem Garten Europas; Rom und Toskana sind Republiken und - Deutschland, du schläfst?!

Berufe dich nicht auf Frankreich, das unter dem Zwerg Napoleon schmachtet; es ist von drei Revolutionen müde, aber im Schlafe wächst es! Du aber verfaulst im Frieden, Deutschland; willst du warten, bis es heißt:

Platz da, die Russen kommen!

bis der Zar Einquartierungszettel nach Leipzig schickt und der Kosak sein Pferd in der Pleiße tränkt?

Blicke nach innen, deutsches Volk, und werde rot vor Scham!

Der König von Preußen weigert sich, die Reichsverfassung anzuerkennen, (die uns noch viel zu schlecht ist,) weil sie ihm noch zu freisinnig war; er will die Kaiserkrone nicht annehmen, ein Geschenk, das uns noch viel zu gut für ihn schien, weil es aus der Hand des Volkes kam; und das ihm zu schlecht ist, weil ihm das Volk es bietet - er, der Mann von Gottes Gnaden, der Leben und Thron nur dem Volke verdankt!

Die reaktionären preußischen Kammern selbst haben mit dem Ministerium gebrochen, weil es den Willen des deutschen Volkes nicht anerkennt. Und doch tritt dies nicht zurück, appelliert nicht einmal an das Volk durch Auflösung der Kammern, wie es konstitutionelle Regel ist, sondern es bleibt mit manteuffelscher Stirn, es bleibt, weil es ihm der König befiehlt, auf dessen Befehl es zusammentrat. Und der Hof von Potsdam verweigert die Anerkennung der Reichsverfassung, trotzdem daß 29 deutsche Regierungen sie anerkannt haben; ja, er will an die Macht der Waffen appellieren und ruft das erste Aufgebot der Landwehr und die Reserve auf Deutschland, werde rot!

Und doch zittert die Dynastie Hohenzollern, schon floh sie von Charlottenburg nach Potsdam, schon standen die Wagen gepackt, um die Königin nach Dresden zu bringen! Es zittert wie das Haus Habsburg; demütig hat dies seine Zustimmung zur preußischen Kaiserkrone gegeben, wenn ihm der König von Preußen nur seine Soldaten schicken will zur Hilfe gegen Ungarn! Deine Feinde zittern, Deutschland, und du schläfst?

In Mannheim in Baden hat das Volk den edlen Brentano, den Verteidiger des edlen Struve, zum Bürgermeister gewählt und die Regierung verweigert die Bestätigung. Des Volkes Wille ist Gesetz und die Regierung verachtet des Volkes Willen! Deutschland, werde rot!

In Bayern hält es der Hof mit Österreich, das doch ausdrücklich aus dem deutschen Reichsverbande ausgeschieden ist und antwortet auf dessen Ansinnen, die bayrischen Deputierten aus Frankfurt (wohin sie das Volk geschickt hat) zurückzuberufen, nur mit den Worten: "es sei noch zu früh!" Und Deutschland schläft!

In Württemberg korrespondiert der Hof mit Rußland und Österreich, ohne den konstitutionellen Ministern etwas davon mitzuteilen; er verspricht reaktionäre Maßregeln gegen die Freiheit des Volkes und erhält dafür das Versprechen, mit den Ländern kleiner deutscher Fürsten belohnt zu werden, die von Rußland mediatisiert werden sollen. Und er fängt an, Wort zu halten; der König verweigert die Anerkennung der deutschen Reichsverfassung und läßt das Militär konsignieren; die Märzminister nehmen ihre Entlassung. Deutschland, wann nimmt deine Geduld ihre Entlassung?!

In Sachsen weigert sich das Ministerium, dem Volkswillen, wie ihn die Kammern aussprechen, Folge zu leisten und den Gesandten Könneritz aus Olmütz zurückzurufen. Nun, wenn die Ungarn einrücken, wird er schon von selbst gehn! Da wird es nicht einen Held, aber viele Helden geben!

In Schleswig-Holstein fallen deutsche Truppen einem diplomatischen Lügenspiel zum Opfer, während sie glauben für die deutsche Sache zu fallen. Rußland entscheidet in Berlin über Schleswig-Holsteins Geschick, und um das Spiel zu bemänteln, läßt man die Deutschen von den Dänen totschlagen! Und Deutschland sollte nicht erröten ?

Schon gehen den Soldaten in Schleswig-Holstein die Augen auf, und deutsches Volk, du schläfst?! Mache die Augen auf, damit sie dir nicht einmal übergehen!

Deutschland! werde rot vor Schmach, rot vor Zorn, stehe auf im Namen der Freiheit, der Gleichheit, der Brüderlichkeit!

Deutschland, werde rot!!!

Zu haben in allen Buchhandlungen, in Leipzig bei H. Brügmann.

Druck von E. Pölz in Leipzig.

Letzte Änderung: 27. May. 2001, Adresse: /deutsch/1848/flugblatt27.html