Kölner Volks-Wahlprogramm,

festgesetzt in der Volksversammlung im Deutschen Kaffeehause bei Stollwerck am 19. und 20. April 1848.

Ein für die Zukunft Deutschlands und insbesondere Preußens höchst wichtiges doppeltes Wahlgeschäft steht uns bevor. Es sollen erstens die Vertreter des gesamten deutschen Volkes gewählt werden, welche, in der konstituierenden Nationalversammlung in Frankfurt zusammentretend, das Verfassungswerk für das gesamte Deutschland festzusetzen berufen sind; zweitens aber auch diejenigen Vertreter, deren Beschlüsse die Bestimmung der speziellen Verfassung des preußischen Volkes obliegt.

Zum ersten Male in Deutschland ist das gesamte Volk berufen, über sein zukünftiges Geschick zu entscheiden, zum ersten Male seine Souveränität ausgesprochen. Deshalb gilt es vor allem an der Spitze des Wahlprogramms den Fundamental-Grundsatz

der Einführung von Konstitutionen auf Grundlage der Volkssouveränität, und als notwendige Folge davon den Grundsatz aufzustellen,

daß der konstituierenden deutschen National-Versammlung die Festsetzung der zukünftigen Staatsform Deutschlands, und der konstituierenden preußischen Versammlung die Festsetzung der zukünftigen Staatsform Preußens, unter den durch die National- Versammlung in Frankfurt a. M. zu gebenden Beschränkungen, zu überlassen sei.

Die Gewährleistung folgender in die Staatsgrundgesetze aufzunehmenden Rechte erscheinen als die unerläßlichen Bedingungen der zukünftigen Verfassungen:

  1. Allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit für alle großjährigen, nicht durch rechtskräftiges Urteil der bürgerlichen Rechte verlustig erklärten Staatsmitglieder;
    Direkte Wahlen;
    Dauer des Mandats der Gewählten auf ein Jahr;
    Besoldung der Volksvertreter;
    Unverletzlichkeit der Volksvertreter.
  2. Unbeschränktes Versammlungs- und Assoziationsrecht.
  3. Unbedingte Rede- und Preßfreiheit.
  4. Umwandlung des stehenden Heeres in eine Volkswehr, mit eigener Wahl der Führer; allgemeine deutsche Heer-Verfassung.
  5. Einfachheit und Wohlfeilheit der Verwaltung. Völlige Unabhängigkeit der Zivilgemeinden in Anordnung ihrer inneren Angelegenheiten.
  6. Völlige Trennung der Kirche vom Staate.
  7. Einrichtung eines unentgeltlichen, die Bedürfnisse aller Volksklassen, Gewerbe und Berufe umfassenden Unterrichtswesens durch den Staat - ohne Beschränkung der Lehr- und Lernfreiheit.
  8. Allgemeine deutsche Gesetzgebung. Abschaffung der privilegierten Gerichtsbarkeit; öffentliches und mündliches Verfahren; Schwurgerichte in Strafsachen, insbesondere bei politischen und Preßvergehen.
  9. Unabhängigkeit der Justizpflege und Sicherstellung gegen Justiz-Verweigerung.
  10. Schutz der persönlichen Freiheit und Unverletzlichkeit des Hausrechts.
  11. Allgemeines deutsches Heimatsrecht.
  12. Abschaffung aller Vorrechte einzelner Stände sowie aller Privilegien; Aufhören der Verleihung von Orden, Titeln und sogenannten Standeserhöhungen.
  13. Aufhebung aller indirekten Steuern und Lasten; progressive Einkommensteuer als einzige Besteuerungsart mit Befreiung des notwendigen Lebensunterhalts von allen Abgaben.
  14. Aufhebung aller indirekten Steuern und Lasten; progressive Einkommensteuer als einzige Besteuerungsart mit Befreiung des notwendigen Lebensunterhalts von allen Abgaben.
  15. Einrichtung eines geregelten Kreditwesens für Handel, Industrie und Ackerbau durch den Staat.
  16. Übernahme des Gesamt-Armenwesens durch den Staat.
  17. Schutz der Arbeit. Staatliche Maßregeln zur möglichsten Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhaltes eines jeden. Errichtung eines besonderen Arbeiter-Ministeriums.
  18. Unverzügliche Aufhebung aller Zollinien innerhalb sämtlicher deutschen Staaten und Einführung gleichen Maßes, gleichen Gewichtes und gleicher Münze.
  19. Abschaffung des Diensteides.

Wer mithin von der Notwendigkeit überzeugt ist, daß nur unter der Verwirklichung obiger Grundsätze und Rechte für das deutsche Volk Freiheit, Bildung und Wohlstand und die baldige Einführung eines Ruhe, Ordnung und Sicherheit versprechenden Zustandes zu erwarten ist, der wird den Maßstab derselben an das Glaubensbekenntnis derjenigen Männer legen, deren Händen er den Bau des Verfassungswerkes für Deutschland und Preußen anzuvertrauen beabsichtigt.

Möge sich jeder, von der Richtigkeit der ausgesprochenen Grundsätze Überzeugte, der Volksversammlung im "Deutschen Kaffeehause bei Stollwerck", welche obiges Programm von ihrer Seite dem Wahlgeschäft zugrunde gelegt, anschließen, um gemeinschaftlich mit ihr das so wichtige Werk zum Heile Deutschlands und Preußens zu vollführen.

Das unterzeichnete, von der Vollversammlung gewählte Komitee bringt hiermit das vorstehende Wahlprogramm zur öffentlichen Kenntnis und ladet alle wahren Freunde des Volkes zur tätigsten Teilnahme ein.

Das Komitee.
Bauenthai. G. A. Boecker. Bohl. Borchardt. H. Bürgers.
C. Cramer. Dr. D'Ester. B. J. Klein, Kurth. Rittinghausen.
Schneider II. Schützendorf. Vogel. C. Wächter. Dr. Weil.
M. Zimmermann

Letzte Änderung: 27. May. 2001, Adresse: /deutsch/1848/flugblatt20.html