Aufruf sämtlicher Maschinenbau-Arbeiter an die Bürger Berlins!

Bürger Berlins! Vier Wochen sind seit dem Tage verflossen, welcher die Freiheit uns brachte, sage vier Wochen, und was hat in dieser Zeit die neue Regierung Neues gebracht? - Eigentlich Nichts! Denn ein Wahlgesetz wie das vom verstorbenen Landtage beratene und von unsern sogenannten verantwortlichen Ministern sanktionierte ist nur ein beklagenswertes Zeichen des sicheren Rückschritts. Das Vertrauen, was wir noch vor kurzem in die Minister setzen konnten, ist seit voriger Woche gewichen. Wir können jetzt kein Vertrauen mehr, wir müssen Mißtrauen hegen, da Herr Camphausen einer Deputation des hiesigen Volks-Wahl-Komitees, welche Protest gegen das erlassene Wahlgesetz einlegte, rundweg erklärte, daß das jetzige Ministerium stehen und fallen werde mit den indirekten Wahlen. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich! Wir sind dem Herrn Camphausen zu Dank verpflichtet, daß er uns eine so offene Erklärung gegeben, die uns die Binde von den Augen nahm. Was das Volk von diesem jetzigen Ministerium zu halten hat, wissen wir demnach! Wir sind drauf und dran, eben wieder so an der Nase herumgezogen zu werden wie vor dem 18. und 19. März. Daß wir geäfft werden, liegt klar am Tage.

Bürger, Mitkämpfer von den Barrikaden! Fragt Euch selbst, ob nur 20 Tote von seiten des Militärs geblieben sein können, wo über 14 Stunden lang ein mörderischer Kampf gewütet? 20 Tote! So heißts in den lithographierten Listen, welche unter die Bürger verteilt wurden, 20 Tote! Tod und Hölle! Diese Lüge setzt allen vorangegangenen die Krone auf!

Bürger von Berlin! Fällt Euch endlich die Binde von den Augen! Seht Ihr endlich ein, daß Ihr von A bis Z betrogen wurdet? Die Hohen sogen Euch das Mark aus den Gliedern, und um nicht das Schwert der Vergeltung auf ihren Nacken fallen zu lassen, wollen sie Euch mit den Arbeitern zusammenbringen. Wir sollen unsre Knochen aneinander wetzen, damit sie die Früchte davon tragen können. Bürger, Bürger werdet wach! Man lauert wie ein Luchs auf den ersehnten Augenblick, um über unsre junge Freiheit herfallen und sie vernichten zu können. Darum auch die steten Einflüsterungen, welche Euch wurden daß wir, die Arbeiter, an Eurem Eigentum, Eurer Habe uns vergreifen und bereichern wollen. Nichtswürdige, Schurken, die solche Äußerungen unter Euch aussprechen und verbreiten. Werft sie hinaus aus Euren Kreisen, denn sie sind nur feile Diener der gefallenen Macht, sie sind nur Gedungene, um Euch von dem Arbeiter noch mehr zu entfernen, noch mehr mit ihm zu entzweien.

Unsre gegenwärtige Lage ist eine schreckliche, weil aller Handel, aller Verkehr stockt.

Und worin liegt diese Stockung hauptsächlich begründet ? In dem Mißtrauen, das man auf den Arbeiter geworfen, aber mit Unrecht geworfen hat.

Hätten wir Euren Plunder gewollt, so hätten wir ihn ungestört und ungestraft schon vor vier Wochen uns nehmen können, wo die Reichsten des Landes noch unter uns waren, die Ihr aber nach und nach habt ausreißen lassen. Wir hätten uns zu Herren Eures Vermögens, Eurer Habe machen können, wir hatten die Macht dazu. Aber Schmach auf den, dem ein solch unlauterer, gemeiner Gedanke in der Seele aufstiege.

Wir haben ein anderes, ein besseres Streben, wir wollen wahrhaft frei werden, da hierin nur allein die Verbesserung der Lage aller zu suchen ist. Ihr, wir, mit einem Wort: das Volk soll seine bessere Lage sich selbst schaffen, und sich nicht auf die Staats-Bedienten verlassen. So denkt, so fühlt der Arbeiter!

Schämt Euch daher, zeither solche Gesinnungen von uns gehegt zu haben, da wir ja viele, wir möchten sagen, wohl die Hälfte unter uns haben, welche in einigen Jahren dasselbe sein werden, was Ihr jetzt seid - Bürger und Meister. Schämet Euch, rufen wir noch einmal, daß Ihr Euch verleiten ließet, aber Euch bangte vor Eurem Mammon, Eurem Eigentume.

Lasset ihn unvergraben. Er liegt in Euren Zimmern ebenso sicher wie im tiefsten Schacht der Erde, denn Ihr schützt ihn Euch nicht allein, wir schützen ihn mit. Darum fort mir Eurer Angst, fort mit unsrem Groll! Wir wollen vergessen, daß Ihr uns kränktet, daß Ihr uns hintenansetztet, denn Ihr wurdet geblendet und werdet es noch. - Glaubt es uns, Bürger von Berlin, wir haben hellsehendere Augen, als Ihr vermeint; wir sehen das Grab, was man für uns beide, für den Bürger und Arbeiter, bereitet, im voraus bereitet, weil man in den höheren Schichten der Gesellschaft noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben hat, uns so zu entzweien, daß ein völlig anarchischer Zustand hereinbricht, in welchem wir wutentbrannt uns beiderseits aufreiben würden. Darum auch jetzt diese Hohlheit, diese Halbheit; anekelnd, bejammernswert! Darum unter Euch die Federfuchser in Waffen, mit den Geheimen-Rats-Physiognomien, aktenbestäubt und bleich, bis auf den Tod erschrocken, wenn ihnen zufällig drei Arbeiter auf einmal begegnen. Diese sind es gerade, die höheren Beamten, die Euch den Kopf verkeilen, die Euch in einem fort vorreden, daß wir Arbeiter plündern, rauben, sengen, brennen, morden und Gott weiß was noch alles wollen. Die Pest in ihre morschen Knochen!

Bürger! Säubert Eure Reihen von diesen Subjekten, die Euch in den Augenblicken der Gefahr nur offenbaren Schaden bringen dürften. Jagt sie fort, diese Hofschranzen, die Speichellecker mit den süßlächelnden Mienen, die jetzt mit Euch fraternisieren, ja wohl gar mit Euch eine kühle Weiße vertilgen, die radikal bis zum Auslachen geworden sind, während sie noch vor 5 Wochen mit blasiertem Stolze eines Bürokraten verächtlich auf Euch herabblickten. Und wer muß das Geld mühsam aufbringen zur Fütterung dieser Leute? Der Bürger, Bauer und Arbeiter. Darum noch einmal! Hört auf unsern brüderlichen Rat! Fort mit diesen Elenden, fort mit diesem Otterngezücht, es verpestet nur die frische erquickende Luft des jungen Freiheitsmorgens. Wir wollen uns dafür die Hände als Brüder reichen, wir wollen ausrufen: einig, einig, einig! und dann gemeinsam an dem Aufbau unsres Tempels der Freiheit arbeiten. Sind wir einig, so ist's der Bauer auch mit uns, und dann gibt es keine Macht, welche uns entgegentreten könnte, um die Pfeiler unsrer Freiheit umzustürzen. - In dieser unserer Vereinigung wird auch die Einigung der deutschen Lande ihren Anfang finden, denn es ist zur innigsten Vereinigung die höchste Zeit. - Wir haben gemeinschaftlich die Freiheit erfochten und mit dem Blute der unseren teuer erkauft; wir wollen aber auch, wenn es gilt, noch einmal unser Leben für die Erhaltung der Freiheit in die Schanze schlagen.

Bürger, Wehrmänner Berlins! Wir fühlen sehr wohl, wie drückend Euch in Euren anderweiten bürgerlichen Verhältnissen der jetzige Wachdienst ist, wir fühlen dies und tragen Euch daher unsern Beistand an. Gebt uns Waffen, und wir wollen mit Euch gemeinsam zur Aufrechterhältung der Ordnung und Ruhe wirken, wir wollen uns gegenseitig diesen Dienst erleichtern, damit aus der Pflichterfüllung keine Last werde. - Habt Ihr die Angst vor dem verschrieenen Arbeiter erst abgelegt, habt Ihr gefunden, daß er Euch brüderlich zur Seite steht und schützt, so bedarf es wahrlich auch nicht mehr dieser Unmassen von Wachen und Patrouillen. Und sollte hier oder da wirklich noch verborgen gewesenes Gesindel auftauchen, so überlaßt es uns, dies aus dem Wege zu räumen. Die Mehrzahl von uns ist ja Soldat gewesen. Daß wir mit Nachdruck auftreten, dafür spricht wohl der Kampf in der verhängnisvollen Nacht vom 18ten zum 19ten März.

Bürger Berlins! Wir hielten es für unsre heilige Pflicht, Euch bei der täglich sich drohender gestaltenden Zukunft, unsre Gesinnung frei und offen darzulegen, damit Ihr endlich einmal einsehen möget, daß wir Arbeiter die einzigen sind, die es ehrlich mit Euch meinten.

Berlin, den 17. April 1848.

Der Verein sämtlicher Maschinenbau-Arbeiter.

Druck von C. Striese & Comp., Wallstraße 61.


Letzte Änderung: 27. May. 2001, Adresse: /deutsch/1848/flugblatt19.html